Lange bevor ich Mode für mich entdeckt habe, waren meine Haare Ausdruck meiner Persönlichkeit. Ich trug sie lang, kürzer, kurz, ließ sie wieder wachsen, schnitt sie erneut ab, färbte sie rot, schwarz, blondgesträhnt, probierte Dauerwellen aus und meinte den Vokuhila absolut ernst. Ich stehe nach wie vor zum Pixie und bin mir dessen bewusst, dass er vermutlich die Frisur ist, die mir am besten steht. Warum ich meine Haare trotzdem wieder habe wachsen lassen? Gute Frage. Tragt ihr jeden Tag dasselbe T-Shirt?
Die meisten Frauen finden vermutlich irgendwann in ihrem Leben „ihre“ Frisur. Meine Mutter zum Beispiel trägt ihre Haare seit den 1990ern kurz und hatte in all der Zeit niemals das Bedürfnis, sie wachsen zu lassen. Andere Frauen hatten nie etwas anderes als lange Haare und scheuen das Experiment. Und bei nicht wenigen bestimmt letzten Endes die Beschaffenheit des Haars die Frisur. All das kenne ich nicht. Als Kind hatte ich den typischen Topfschnitt, ließ meine Haare nach einem kurzen Ausflug zum Kurzhaarschnitt aber wachsen, bis ich ein Teenager war, als daraus erst ein Bob und schließlich mein erster Pixie wurde. Meinen Pony behielt ich dabei fast immer, zum einen wegen zeitweise übler Akne, zum anderen, weil ich der Meinung war, dass er mir am besten steht.
Nach diesem ersten radikalen Schnitt war alles anders. Ich stellte fest, dass ich mit unterschiedlichen Frisuren spielen, meinen Stil verändern kann. Vor allem aber lernte ich, dass es kein Untergang ist, wenn eine Frisur dann doch mal nicht so toll ausfällt – Haare wachsen nach, und das meist sogar schneller, als man glaubt. Wirklich lang habe ich sie seither allerdings nicht mehr wachsen lassen, und das hat im Wesentlichen zwei Gründe: Langeweile und sehr feines Haar. Praktisch jeder Friseur, bei dem ich im Laufe meines Lebens war, meinte wohl, mir damit etwas weltbewegend Neues mitzuteilen, aber ja, ich habe feine Haare, und davon sehr viel. Ab einer gewissen Länge verknotet es sich deshalb ständig und hängt nur uninspiriert herunter. Mein Haar ist so fein, dass selbst Haarspangen einfach rausrutschen. (Ahnt ihr, warum ich den Vokuhila für eine gute Idee hielt?)
Unabhängig davon ist es mir aber auch einfach nicht möglich, allzu lange bei ein und derselben Frisur zu bleiben. Nach einer Weile macht sich unweigerlich Langeweile breit, weshalb ich selbst beim Kurzhaarschnitt vom superkurzen Pixie bis zum Undercut fast alles durchprobiert habe. Nach zwei Jahren hatte ich nun einfach keine Lust mehr darauf, alle zwei bis drei Monate zum Friseur zu rennen, zumal man als Frau auch mit Kurzhaarschnitt noch dreimal so viel zahlen muss wie die Männer. Und so beschloss ich im Spätsommer letzten Jahres: Das war’s, ich lass meine Haare wachsen. Ich hab das Spiel schon ein paarmal mitgemacht, trotzdem ist diese Übergangszeit jedes Mal aufs Neue frustrierend.
Den ultimativen Tipp, um die sechs bis acht Monate zu überbrücken, bis sich daraus wieder so etwas wie eine Frisur machen lässt, habe ich übrigens nicht. Es hilft, die Rückseite gelegentlich gerade abzuschneiden, da insbesondere das Gefranse im Nacken schnell ungepflegt aussieht. (Im besten Fall kennt ihr jemand Mutiges, der das für euch übernimmt, denn beim Friseur zahlt ihr auch dafür den Preis eines kompletten Haarschnitts.) Als die Seiten länger wurden, bin ich außerdem dazu übergegangen, sie hinter die Ohren zu kämmen und mit Haarklammern festzustecken, dadurch sah es dann irgendwann wie ein Bob aus. Besonders anstrengend fand ich den Pony, den ich diesmal mit habe rauswachsen lassen, und der mir permanent im Gesicht hing.
Nach guten acht Monaten waren meine Haare nun aber endlich lang genug, dass ein Friseur daraus so eine Art Bob zaubern konnte. Bleibt gespannt, wie schnell ich davon gelangweilt bin, als Alternative bleibt dann ja immer noch die Dauerwelle …
3 comments
Ein sehr schöner Exkurs in das Thema Haare, Frisuren und Persönlichkeitsentfaltung. Ich finde es immer toll, wenn sich jemand dadurch ausdrücken kann, mir fehlt da wohl eine kreative Ader. Oder vielleicht sehe ich das zu nüchtern, never change a running system und so.
Wenn du zurückblickst, welche Frisur war deine liebste? Welche hättest du gern sofort zurück? Und welche hättest du gern, wenn du mal riiichtig viel Mut hättest?
Entgegen allem, was ich oben geschrieben habe: Ich wünschte, meine Haarstruktur hätte sich während der Pubertät nicht so radikal verändert, dass ich heute noch richtig lange Haare tragen könnte. Als Kind hatte ich weder so feine noch so stark fettende Haare, und insgeheim liebe ich es, ausgefallene Flechtfrisuren auszuprobieren. Wofür mir der Mut immer gefehlt hat, obwohl ich die Frisur stark finde, ist der radikale Buzz Cut. Mal sehen, vielleicht ja in der Midlife Crisis … 🙂
Die Fotosammlung mit der „Evolution“ deiner Haare ist ja mal cool! Finde ich total cool, dass du so viel ausprobiert hast, und dir stehen echt richtig viele Frisuren :).
In vielem, was du schreibst, erkenne ich mich wieder. Vor allem in der Langeweile, wenn man sich die Haare doch mal wieder wachsen lässt :D. Manchmal wünsche ich mir lange Haare zurück, aber dann will ich sie am liebsten gleich so lang haben, dass man coole Flechtfrisuren damit machen kann, was natürlich nicht geht. Daher wechsele ich seit Jahren auch nur zwischen Pixie und Bob.
Ich mag meine Kurzhaarfrisur, aber Friseurbesuche sind wirklich ein leidiges Thema. Vor allem dieser furchtbare Preis-Sexismus! Seit ich meine Haare richtig kurz trage, gehe ich auch nur noch zu einem Friseur, der unabhängig vom Geschlecht abrechnet. Das Gute ist aber auch, dass ich relativ schmerzfrei bin, was meine Haare engeht, und sie deshalb auch mal ein paar Wochen länger wachsen oder sie noch kürzer schneiden lassen kann, um mir mehr Zeit zwischen den Besuchen zu lassen, ohne dass ich verrückt werde.
Das mit der Langeweile, die sich irgendwann einstellt, kenne ich auch. An dem Punkt bin ich gerade :D.
Der Bob sieht ziemlich cool aus, finde ich!
Viele Grüße