ITFS
Es ist schon ein bisschen peinlich, dass ich es erst nach siebeneinhalb Jahren in Baden-Württemberg zum ersten Mal zum Internationalen Trickfilm-Festival Stuttgart geschafft habe. Andererseits hat es bisher nie ganz gepasst und so habe ich eben auf das perfekte Programm gewartet: Cartoon Saloon, Aardman, Isle of Dogs, Loving Vincent, sogar Laika waren minimal vertreten. Zwar war ich nur zwei Tage dort und konnte letztere beide nicht mitnehmen, trotzdem haben mich bereits die zwei Tage mit so vielen bunten Bildern, Input und Glück gefüllt, dass ich weiß: Nächstes Jahr das volle Programm! Das Filmfest selbst hat gegenüber anderen auch diverse Vorteile: Es zeigt nicht nur kurze und lange Filme, sondern auch die Menschen und Techniken dahinter. Es nimmt sich nicht so todernst, bietet für große, kleine, professionelle, unwissende Menschen etwas, die Wege sind kurz, der Andrang überschaubar, die Jahreszeit stimmt und für mich eben auch der Standort.
Studio-Präsentationen
Neben 19 vielfältigen Kurz- und zwei Langfilmen habe ich mir vor allem Studio- und Making-Of-Präsentationen gesehen, auch von drei deutschen Studios. Dabei habe ich nicht nur ein wenig über den Stand der Möglichkeiten (v.a. von CGI und Virtual Reality) und die Vielfalt der Szene (CGI-Filmkunst ist abgefahren) erfahren, sondern auch, dass sich Kunst und Kommerz besonders im technischen Animationsbereich gegenseitig bedingen. Kommerzielle Projekte schaffen die Möglichkeiten, sich auch in anderen Bereichen auszuprobieren und weiterzuentwickeln, während Techniken, die fürs Business-Umfeld entwickelt werden, irgendwann auch in der Unterhaltungsbranche landen können. Von Angela Poschet, Production Supervisor bei Isle of Dogs, habe ich erfahren, dass Wes Anderson am liebsten per E-Mail Regie führt (so sehr ich Introvertierte das nachvollziehen kann: Was ist das nur für ein Mensch, der die Gelegenheit ausschlägt, an einem Stop-Motion-Set zu leben? Pffffft!). Von Jeremy Purcell, Creative Director beim Cartoon Saloon, habe ich einiges über die Entstehung eines Zeichentrickbildes und die Einbindung von CGI gelernt. Interessant und erleichternd: Die Cartoon-Saloon-Filme müssen keinen Gewinn machen, da von öffentlichen Geldern finanziert. Aber mein Highlight war die Early Man-Präsentation von Animation Director Will Becher, der mir Kennerin nicht viel Neues über Stop-Motion erzählte, aber mit so viele Liebe zu und Stolz auf das Handwerk, seinen Film, Chef Nick Park sprach, dass mir einfach das Herz aufging. Es gibt übrigens wenig, was lustiger ist als Nick Park und Kollegen, die für die Animator_innen die Bewegungen der Puppen vorspielen. Und zwei Stars des Films waren auch vor Ort (leider durfte ich sie schon wieder nicht anfassen, ich will doch nur einmal im Leben eine Aardman-Figur kneten, menno!). Interessant für die Karriereplanung: Nick Park besteht auf den Stop-Motion-Look und daher (jedenfalls teilweise) immer noch auf Knete und (bis auf Ausnahmen) lediglich 12 unterschiedliche Bilder pro Sekunde, während die Animator_innen bei Laika tatsächlich für jedes der 24 Einzelbilder ans Werk müssen.
Studio-Präsentationen
Stop-Motion und Zeichentrick
Ich kenne ja nur Wes Andersons Stop-Motion-Filme, aber bereits hier irritiert mich seine extrem formalisierte, fast schon technokratisierte Nostalgie sehr, und die ewige Zentralperspektive hatte ich bei Isle of Dogs auch bald über. Das erinnert mich alles irgendwie an Instagram-Flatlays mit antiquarischen Büchern und Retro-Tassen. Aber Hut ab vor allen Designer_innen, Handwerker_innen, Animator_innen, die fast alles in camera machen mussten. Schön anzusehen war es. Besonders nett: die in Watte gepackten Raufereien. Aber allein dass ich The Breadwinner im Kino im Original sehen durfte, grenzt schon fast an ein Wunder. Ihr müsst wissen: Cartoon Saloons The Secret of Kells und Song of the Sea haben mir mit ihrer Verknüpfung einer überwältigenden, an das Abstrakte grenzenden Bildsprache mit zutiefst berührenden, ehrlichen menschlichen Geschichten einen neuen filmischen Horizont eröffnet. The Breadwinner von Kells-Co-Regisseurin Nora Twomey trennt allerdings klar Realität und Märchen, wodurch der reale Teil, in dem sich ein Mädchen in Afghanistan als Junge ausgeben muss, um die Familie durchzubringen, etwas an visueller Raffinesse vermissen lässt (aber natürlich trotzdem sehr schön und organisch anzusehen ist), während „Storyworld“ mit einem wunderschönen Pseudo-Scherenschnitt-Look glänzt (der übrigens digital erzeugt wurde, was mich noch intoleranter werden lässt gegenüber dem üblichen Plastik-Look von CGI-Animation). Aber der Film knüpft an Werke wie Die letzten Glühwürmchen an, die Erwachsene durch unschuldige, marginalisierte Kinderaugen die unfassbare Logik einer von erwachsener (männlicher) Grausamkeit geprägten Welt spüren lassen. Es ist ein wichtiger, unmittelbarer Film über die Stellung der Frau in noch zu vielen Kulturkreisen, der natürlich seine kleine Heldin feiert, aber nie die Fragilität dieses Heldentums vergisst und die willkürliche männliche Gewalt, die hinter jeder Ecke lauert.
Souvenirs
Aus Stuttgart durfte neben dem Festival-Beutel dann noch ein angenehm weiches Blüschen in den Festival-Farben mit. Das war natürlich nicht geplant, aber tatsächlich mag ich Gebrauchsgegenstände, besonders Kleidung als Souvenir am liebsten, weil man sie immer wieder in die Hand nehmen muss und dann unwillkürlich an den schönen Ort und Moment erinnert wird. So erhalten sie auch Bedeutung über ihren rein ästhetischen und praktischen Wert hinaus.
2 comments
Ach du, du hättest was sagen sollen, wir hätten uns auf einen Kaffee treffen können! Ich war zwar nicht beim Festival (Trickfilm ist nicht so meins), aber ich wohne doch nur eine halbe Stunde Bahnfahrt von Stuttgart entfernt und bin ständig dort. Dammit!
Ach je, daran habe ich gar nicht gedacht. Aber ich war dieses Jahr sicher nicht zum letzten Mal in Stuttgart. Nächstes Mal sage ich Bescheid, versprochen. Dann bin ich auch hoffentlich weniger hinüber als während diesen zwei Festival-Tagen. 😀