The Terror, das Ende
The Terror öffnete mir zwar die Augen, wie bereits beschrieben, nach Beendigung war ich trotzdem nicht ganz zufrieden: Ich finde das Monster unnötig und albern und obwohl sich die Handlung in interessanten Dynamiken irgendwo zwischen Wahnsinn und Realismus Richtung Herz der Finsternis bewegt, überzeugten mich Dramaturgie und Spannungsaufbau nicht. Aber ist das entscheidend, wenn mich die Ästhetik so tief berührte wie Turner-Gemälde (auch wenn sie im Gegensatz zu Turners wohliger Ungenauigkeit schmerzhaft scharfe Konturen bietet), wenn ich mir diesen Screenshot an die Wand hängen möchte, wenn ich nur beim Gedanken an die letzte konzentriert zukunftslose Einstellung einen Kloß im Hals spüre, wenn mich der immer großartige Jared Harris, der wie kein anderer den gütigen Despot spielen kann, wieder daran erinnerte, warum er mein liebster Mad Man war? Woran misst man die Qualität von Kulturprodukten? Am Eindruck im Moment des Sehens oder an der Erinnerung, die bleibt?
Elephant
Auch wenn ich manche klischeehafte Vignetten in Elephant ein wenig irritierend finde (die bulimische Mädchen-Clique, die gemobbten, Killerspiele spielenden Amokläufer), kommt Gus Van Sant wie schon in Last Days durch seine streng inszenierte Dokumentation meiner Idee von Realität so nah wie möglicherweise kein anderer. Menschen können nicht durch eine kohärente Erzählung erklärt werden. Sie bleiben verschlossen und sind nur von außen beobachtbar. Und die Wahrheit steckt nicht (allein) in den kurzen Wendepunkten des Lebens, sondern in den langen Episoden dazwischen, den alltäglichen intimen Momenten, der Kommunikation, den minimalen Reaktionen. Eine scheinbar objektive Bedeutung gibt Gus Van Sant den elliptischen, teilweise wahllos wirkenden Lebensausschnitten nur durch die Form: die desorientierenden Zeitsprünge und die Plansequenzen, die den Weg der Figuren als schicksalhaft und verloren zugleich zeichnen. Auch wenn ich hier keine Hintergründe und klaren Motivationen erhielt, hatte ich den Eindruck, das High-School-Leben deutlicher zu erkennen und nachvollziehen zu können als nach jedem klassisch erzählten Hochglanz-Teenie-Film. Ein Wiedersehens-Highlight.
Elephant
Millennium Actress
Ohne es zuerst zu bemerken, arbeitete ich kürzlich nach und nach die Werkschau eines japanischen Meisterregisseurs ab, aber nun werde ich den Namen Satoshi Kon nie wieder vergessen, auch wenn er keine Neuveröffentlichungen mehr schmücken wird. Grund genug, seine vier hirnverknotenden Animationsfilme über Wahrnehmung, Erinnerung, Wunsch und Wirklichkeit, die so manchen Christopher Nolan alt aussehen lassen, immer wieder zu sehen und zu entschlüsseln. Sennen joyû hat mir am besten gefallen, weil er in einem aberwitzigen Ritt durch die japanische Filmgeschichte zeigt, was Filme sind: Schlüssel ohne Schloss, abwechslungsreicher Weg statt Ziel, Suche nach dem Sinn des Lebens statt Antwort, Versprechen auf Glück statt Erfüllung. Aber sie sind als Erfahrung auch untrennbar mit uns und unserer Vergangenheit verbunden. Sie lehren uns, wie man ein Leben erzählt, und werden durch ihren Einfluss Teil der Erzählung.
Vorfreude
Wenn ich daran denke, dass ich in eineinhalb Wochen in London bin, wird mir ganz schlecht. Vor Freude, aber auch minimaler Klaustrophobie vor Flugzeug, Tube, Eurotunnel, Menschen. Mein erster Theater-Ausflug nach London (wobei ich 2008 schon mal im Old Vic war, als Kevin Spacey noch sehr und Jeff Goldblum noch nicht ganz so cool war, aber das hat sich eher so ergeben, weil ich nun schon mal da war). Es fühlt sich an, als würde ich endlich meiner Bestimmung zuteilwerden. Da ist es fast egal, dass die Macbeth-Interpretation unterirdische Kritiken bekommen hat. Dafür sehe ich am Tag drauf eine bejubelte Sam-Mendes-Inszenierung (so nutzt man seine Post-Bond-Phase). Möge dies der Beginn einer wunderbaren jährlichen Tradition sein. Und mögen niemals Zeit und Geld dafür ausgehen, was ich nun wiederum befürchte. Irgendwas ist halt immer.
Vorfreude
Samt die Zweite
Ist Samt gerade in oder habe ich nur Glück? Ich tippe auf Ersteres. Jedenfalls kann ich mich dank weiterer Prasserei nun von oben bis unten in Samt hüllen. Das werde ich nicht tun, weil sich Blau und Grün nur in Ausnahmefällen vertragen, aber allein ein Samt-Accessoire ist bereits ein willkommener barocker Akzent. Die Schuhe sind eines dieser Wunderwerke zwischen schick UND bequem und Schirmmützen habe ich noch längst nicht genug in meinem Leben.