#OscarsSoDisney
Der Oscar für das „best animated feature“ wurde nun 17 Mal vergeben, davon 12 Mal an Disney/Pixar, 15 Mal an CGI-Filme, nur einmal an einen nicht-englischsprachigen Film. Das verrät zweierlei: Dass die Wählenden die anderen nominierten Filme sicherlich gar nicht erst anschauen und dass sie generell nicht an Filmkunst interessiert sind, sondern lediglich am selbstbeweihräuchernden, amerikanischen Status Quo der Filmindustrie. Dass dieser Umstand außerdem noch nicht als Skandal ausgerufen wurde, weil sich keiner für diese Kategorie interessiert (außer Miss Booleana, Filmschrott und die hauseigene Friedl), lässt vermuten, dass es in der Cineastengemeinde nicht anders steht. Der Animationsfilm ist die einfallsreichste, vielfältigste, innovativste Gattung, die das Medium noch hat. Hier passieren noch Sachen, die hat man noch nicht gesehen! Wer den Animationsfilm nicht ernst nimmt, den kann ich nicht ernst nehmen.
The Keeping Room
Der aufregendste Western, den ich seit … puh, ich weiß nicht, Meek’s Cutoff? … gesehen habe. Eine wunderschöne, detailgenaue, ephemere Kameraarbeit, emotionale und brutale Musik, eine Szenerie wie nach einer Apokalypse. Vielleicht haben sich alle Männer gegenseitig getötet und zurück bleiben Frauen, die ihrer Privilegien beraubt sind und ein Bündnis über Hautfarben hinweg bilden, um die verbliebene, kondensiert toxische Maskulinität zur Strecke zu bringen – elegisch langsam erzählt und mit dosierter Aufmerksamkeit auf die Gewalt. Zwar wird die exakte Wucht des Beginns nicht ganz gehalten, aber insgesamt ist es doch eine Zusammenfassung der überschatteten intimen Kehrseite des Genres. Als hätte man The Beguiled noch einmal ordentlich erzählt. Aber macht euch nicht so große Hoffnungen, den meisten anderen hat er nur mittel gefallen.
The Keeping Room
Richard Brody
Ich mochte Call Me by Your Name schon, aber es ist nach meinem Verständnis kein Liebesfilm, weil die Figuren sich kaum unterhalten und dadurch nicht wirklich kennen und lieben lernen können (weswegen mir erst die zweite Stunde, das Zusammensein, gefallen hat). Und wenn einen so etwas Persönliches an einem Film stört, den alle anstandslos lieben, hält man sich für abartig. Das ist okay, es ist nicht das erste Mal. Aber dann liest man seinen Lieblingsfilmkritiker und alles ist gut. Richard Brody findet auch: „Guadagnino displays no interest in the characters, only in the story.“ (Wobei ich ihm nicht zustimme, dass der Film technisch schlecht gemacht sei.) Richard Brody ist schon seit Jahren mein Lieblingsfilmkritiker und zwar nicht etwa, weil wir immer gleicher Meinung wären, dieselben Filme mögen würden (schon lange weiß ich einen Bogen um Brody-Empfehlungen zu machen) oder weil ich seine Aussagen tatsächlich immer verstehen, geschweige denn nachvollziehen könnte, sondern weil er immer wieder, alle paar Monate, meine Augen teilt, während andere durch getönte Gläser zu sehen scheinen. Jedes Mal, wenn ich bei ihm etwas präzise und auf seine sehr idiosynkratische Weise selbstbewusst ausformuliert und bestätigt sehe, was ich selbst kaum zu ahnen wagte, weil keiner sonst es nur annähernd so wahrnahm, bin ich fast zu Tränen gerührt. Richard Brody ist für die Filmkritik, was Virginia Woolf für die Literatur ist. Beide sagen mir auf elementarster Ebene den tröstlichsten Satz von allen: Du bist nicht allein.
Show Me a Hero
Wenn David Simon (et al.) eine HBO-Miniserie macht (jetzt bei Sky Ticket), dann ist diese vielleicht nicht fehlerfrei, aber wohltuend unprätentiöser fiktionalisierter Journalismus, neben dem alles andere völlig banal wirkt. Er zeigt in einem sozialen Experiment als praktische Anleitung, wie sich die Welt verbessern lässt, ohne Komplexitäten und Kosten auszusparen. Das ist Zeigefingerkunst, wie es sie viel zu wenig gibt. Subtil ist schön und gut, aber die Menschen sind dumm, die kapieren das doch nicht. Und Oscar Isaac als idealistischer, aber anerkennungssüchtiger Politiker ist natürlich hervorragend.
Show Me a Hero
Buchbestellung
Ich bin ein schlechter Mensch. Meine Buchausgaben beschränken sich heutzutage lediglich auf Gebrauchtmaterial und Kindle-E-Books unter 7 Euro. An mir verdient sich kein Autor eine goldene Nase. Das tut mir leid. Aber warum soll ich ein Buch neu kaufen, wenn so viel günstigerer Stoff in Umlauf ist? Der ist doch noch gut! Medimops ist da wirklich der Himmel auf Erden (wobei man beim Zustand nicht unter „sehr gut“ gehen darf). Und wenn man einmal anfängt, das Körbchen zu füllen, sieht das Resultat hinterher meist so aus. Als ob nicht dauerhaft 50 Bücher auf meinem SuB lägen. Aber ich mag die Auswahl. Und bei diesen Graham-Greene-Ausgaben konnte ich nicht widerstehen. Dieses etwas billige, aber liebevoll handgemachte 70er-Design passt einfach so gut zu seinen Geschichten. Ich habe noch nie ein Angela-Carter-Märchen gelesen und so geht das ja nicht weiter. Richard Yates bin ich vor zwei Jahren mit Revolutionary Road verfallen, und die anderen beiden sollen so als Zwischendurchlektüre dienen. Jedenfalls: Nur Buchkauf befriedigt noch mehr als Klamottenkauf!
3 comments
Das mit dem Animationsfilm wurmt mich wirklich. Ich war mal bei einem Gespräch zur Berlinale, wo die Leute hinter „Die Melodie des Meeres“ etc. Einblicke gegeben haben und ich habe da soviel Respekt vor, eben weil ein eigener Zeichenstil, viel Kreativität UND auch noch tolle Geschichten dabei herum kommen. So sehr ich mich auch gerne von Disney einlullen lasse, ich spüre den Schweiß und die Tränen bei den Guys oder auch Leika mit ihren Stop-Motion-Meisterwerken einfach viel deutlicher.
Endlich hat mal ein anderes Wesen „Show Me A Hero“ gesehen! Ich verbinde mit der Serie so viel und finde es so traurig, dass ein so perfekter Kommentar zu heutigen Problematiken so unbeachtet bleibt. Ärgerlich.
Waaaas, du hast Tomm Moore (quasi) getroffen? *swoon* Disney ist halt ein guter traditioneller Geschichtenerzähler, aber diese immer gleiche grelle Plastikästhetik mit Glupschaugen finde ich mittlerweile unerträglich. Besonders wenn man eben die handgemachte Kunst daneben stellt – die, wie du auch schreibst, neben der überbordenden visuellen und handwerklichen Fantasie schöne, wertvolle Geschichten erzählt ohne manipulativ auf Tränendrüsen zu drücken (wobei ich bei „Song of the Sea“ mehr heulen kann als bei allen Disney-Filmen zusammen, aber ich bin ja auch kein Banause).
Ja, schade, „Show Me a Hero“ wurde hierzulande gar nicht rezipiert, trotz Zugpferd Oscar Isaac. Dabei ist es wirklich ein einzigartiges Konstrukt, das viele ansprechen kann, weil es wütend, sachlich und spannend zugleich ist. Na ja, vielleicht klickt sich durch meine Empfehlung mal jemand rein (hahaha).
Jap, quasi. Bin jetzt nicht persönlich hingegangen, aber war schon sehr beeindruckt, da mal einen Einblick zu gewinnen.
Amen! Ich bin ja ein großer Freund der noch gezeichneten Disneysachen, aber seit Jahren machen sie es sich einfach zu einfach. Und bei „Song of the Sea“ ist mein Dad danach schnell Müll herausbringen gegangen, um sich noch ein bisschen auszuheulen. <3
Ich werde zu der Serie definitiv noch was machen.