Eigentlich haben wir keine Chance mehr, unser Aussehen ohne Beeinflussung von außen zu beurteilen. Von frühester Kindheit an gaukeln uns die Medien vor, dass Perfektion möglich und vor allem erstrebenswert ist. Selbst, wenn wir es schaffen, der Quelle zu entkommen, sind es am Ende eben die Schulfreundinnen, die einem sagen, dass man doch aber wirklich seine Beine rasieren muss. Und die Augenbrauen zupfen. Und sich schminken.
Ich war in jeder Hinsicht eine Spätentwicklerin. Mit zwölf, als sich viele Mädchen in meiner Klasse bereits für Jungs zu interessieren begannen, spielte ich noch mit Puppen und stand auf Star Trek. Meine Mutter kaufte mir meine Kleidung und legte sie morgens für mich raus. Aber wie jedes Kind wollte ich gefallen, wollte ich dazugehören, und deshalb ging ich irgendwann mit vierzehn, fünfzehn auch durch diese Phase, in der ich meine Augenbrauen zu schmalen Strichen zupfte, mir Waschbäraugen schminkte und sogar meine Unterarme rasierte, weil Haare an den Armen waren ja bäh. Das war nicht mehr oder weniger ich, mein Körper wurde zu einer Unzulänglichkeit, bevor ich überhaupt die Gelegenheit hatte, mir seiner richtig bewusst zu werden.
Meine Studienzeit war schließlich meine Rettung. Weil ich andere Sorgen hatte, reduzierte sich meine Schminkroutine schnell auf Concealer, Foundation und Mascara. Und während der Sommermonate, in denen ich mit dem Archäologischen Institut für Wochen irgendwo in der Pampa saß, Grabhügel abtrug, Bodenverfärbungen dokumentierte und Keramikscherben wusch, ließ ich das alles einfach ganz bleiben. Wir waren dort, um zu arbeiten, und rannten in völlig verdreckten Klamotten rum, keiner achtete auf Äußerlichkeiten. Außerdem waren wir regelmäßig so erschöpft, dass wir lieber jede freie Minute dazu nutzen, ein Nickerchen zu machen. Duschen, eincremen, Sonnenschutz, frische Luft, das war mein ganzes Pflegeprogramm – und es war jedes mal wie Spa für meine Haut. Wenn ich nach vier Wochen Ausgrabung nach Hause kam, hatte ich Babyhaut, weich und ohne jede Unreinheit.
Unzufrieden sind wir natürlich alle. Ich zum Beispiel leide seit der Pubertät an fettiger Haut und muss mit allzu reichhaltigen Cremes aufpassen, außerdem glänze ich trotz Make-up nach zwei bis drei Stunden wie eine Speckschwarte. Meine Augenbrauen sind nach den Eskapaden der Teenie-Zeit nie wieder so schön dicht nachgewachsen, stattdessen werden einzelne Haare manchmal bis zu zwei Zentimeter lang. Früher habe ich den Fehler begangen, die auszuzupfen, hatte dann aber bisweilen regelrechte Löcher in den Augenbrauen, deshalb kürze ich sie mittlerweile nur noch. Im Gegenzug darf ich alle zwei bis drei Tage dunkle Härchen an meinem Kinn zupfen, da ich offenbar ein paar männliche Hormone zu viel mit auf den Weg bekommen hab. Und zu allem Übel sind die Poren meiner Nase so riesig, dass eine Kleinfamilie darin wohnen könnte.
Der entscheidende Punkt ist, dass mich das nicht mehr jede Minute meines Lebens beschäftigt und ich mir dessen bewusst bin, dass auch kein Promi wie seine Photoshop-Version aussieht. Ich trage Foundation und Puder, aber statt eines Make-up-Täschchens zum Auffrischen habe ich lieber ein Buch in der Handtasche. Ich besitze eine kleine Sammlung von Eyeshadow-Paletten, die ich sehr gerne benutze, tatsächlich aber nur zu besonderen Anlässen. Gleiches gilt mittlerweile für Mascara, seit mir vor einigen Jahren durch die extensive Nutzung vermehrt Wimpern ausfielen. Wellness und Körperbewusstsein beginnt für mich mit Vollbädern und Bodylotions, kurz damit, mich in meiner Haut wohlzufühlen. Alles andere ist am Ende nur Fassade – und die bekommt irgendwann zwangsläufig Risse.