Denken wir an Schriftsteller, stellen wir uns gerne jemanden vor, der sich beim trüben Schein einer Schreibtischlampe über ein Blatt Papier beugt und mit dem Federhalter kritzelt. Oder doch wenigstens jemanden, der auf eine antike Schreibmaschine einhackt. Die Realität sieht natürlich anders aus, doch ganz verloren ist das Schreiben von Hand noch nicht. Zumindest nicht bei mir.
Meinen ersten Roman schrieb ich mit zwölf. Das war in den frühen Neunzigern, als mein Vater bereits einen PC besaß, mich aber höchstens mal zum Spielen dran ließ. Einen Großteil der ersten Fassung schrieb ich daher von Hand, in fein säuberlicher Schulschreibschrift mit meinem Pelikan Füller. Selbst als ich später einen Laptop bekam, einen unfassbar klobigen Kasten mit Minibildschirm, schrieb ich weiterhin vieles handschriftlich, was in erster Linie daran lag, dass ich die meiste Zeit nicht zu Hause schrieb. Ich war eine von jenen ausgesprochen unauffälligen Schülerinnen, die es sich dank einigermaßen guter Noten erlauben konnte, in langweiligen Schulstunden in der letzten Reihe unterzutauchen und – statt dem Unterricht zu lauschen – an einer meiner Geschichten zu schreiben. Freistunden verbrachte ich fast ausschließlich in der schuleigenen Bibliothek, wo ich dann später auch zusammen mit meiner damals besten Freundin Star Wars-Fanfiction schrieb. Viele davon besitze ich noch, ein munterer Wechsel von Handschriften und Füllerfarben, mit kleinen Randbemerkungen und persönlichen Notizen. Auch Klappgeschichten schrieben wir damals, geblieben sind zur Ziehharmonika gefaltete Zettel mit völlig konfusen Geschichten, die schließlich ganz woanders enden als sie einmal begonnen haben.
Vielleicht liegt es daran, dass die eigentliche Arbeit eines Schriftstellers in seinem Kopf stattfindet, warum wir so besessen davon sind, eine physische Manifestation unseres Schaffens zu besitzen. Ein Buch zu veröffentlichen, das ist ja dank Erfindung des eBooks für praktisch jeden in greifbare Nähe gerückt, doch der wahre Traum ist und bleibt es, das eigene Buch gedruckt zu sehen. Ein Stapel Blätter zwischen zwei Pappdeckeln, mit Klappentext und allem Drum und Dran, etwas zum Anfassen und ins Regal stellen. Vielleicht ist es auch ein Schutzmechanismus, denn kaum einer weiß so gut wie wir, wie vergänglich digitale Daten sind. Ein falscher Klick, ein Festplattenabsturz, und die Arbeit von Jahren ist verloren. Als ich meine Magisterarbeit schrieb, hatte ich drei Kopien auf drei Datenträgern verteilt, und dass ich fertiggeschriebene Buchkapitel immer sofort an Betaleser maile, ist auch nur teilweise meiner Neugier auf ihre Reaktion geschuldet.
Aber machen wir uns nichts vor, ohne PC geht heute nichts mehr. Das Schreiben von Hand mag romantisch erscheinen, im Lichte der Realität jedoch ist es unpraktikabel. Tippen geht wesentlich schneller, und das ist insbesondere dann wichtig, wenn man gerade in Schwung ist und das Gehirn einen guten Satz nach dem anderen ausspuckt. Korrekturen sind ebenfalls sehr viel einfacher am PC vorzunehmen, und wer schon einmal stundenlang ratlos vor einer unleserlichen Notiz der Schlüsselszene gesessen hat, weiß auch, wie sich echtes Grauen anfühlt.
Für mich gehört das Schreiben von Hand dennoch weiterhin untrennbar zu meinem Schreibprozess dazu. Die ersten Überlegungen zu einer neuen Geschichte stelle ich fast immer handschriftlich an, und selbst wenn ich dann dazu übergehe, die Story zu tippen, sammle ich Überlegungen zu Figuren, Schauplätzen und wichtigen Plots immer noch in einem echten Notizbuch. Wenn ich während des Schreibens einmal plötzlich nicht mehr weiß, ob meine Heldin braune oder blaue Augen hat, muss ich dann nicht erst mühsam in den Dateien danach suchen, sondern schlage in meinem Büchlein einfach ihren Steckbrief auf. Und sollte ich einmal komplett festhängen, dann löse ich das Problem ebenfalls handschriftlich, indem ich es auf einem Blatt Papier notiere und quasi schreibend zur Lösung finde. Der Akt des Schreibens, die Bewegung meiner Hand aktiviert offenbar Areale meines Hirns, auf die ich anders keinen Zugriff habe – ich denke schreibend.
Meine Frage an die Schreibenden unter euch lautet deshalb: Welchen Stellenwert nimmt das handschriftliche Schreiben bei euch ein? Arbeitet ihr nur noch am PC? Und wäre es euch genug, euer Buch ausschließlich digital veröffentlicht zu sehen?
Ich habe zu diesem Thema auf meinem YouTube-Kanal auch ein Video veröffentlicht, das ihr euch hier ansehen könnt: