The Big Sick
Überraschung: The Big Sick ist eine romantische Komödie. Aber nicht im herkömmlichen Sinne. Obwohl eigentlich dann doch wieder. Die Hauptdarsteller dieses charmanten Films ist nicht ein Mark Ruffalo oder ein Ryan Gosling, sondern Kumail Nanjiani, ein US-amerikanische Stand-Up-Komödiant pakistanischer Abstammung.
Das Drehbuch für diesen Film hat Nanjiani mit seiner Frau Emily V. Gordon geschrieben, die im Film von Zoe Kazan verjüngt und verkörpert wird. Natürlich geht es im Boy-Meets-Girl-Plot auch um die Beziehung zwischen Kumail und Emily, diese erkrankt im Plot schnell, sodass sie zwei Drittel der Zeit im Koma liegt.
Was wir zu sehen bekommen, ist etwas ungewöhnlich, aber keineswegs uninteressant. Kumails Weg ist kein einfacher, denn er muss seine eigenen Eltern davon überzeugen, dass er keine arrangierte Ehe mit einer heiratswilligen pakistanischen Mädchen will, sondern eine Beziehung mit der schrulligen und bereits geschiedenen Emily. Emilys Eltern sich gar nicht von Kumail angetan, da dieser kurz vor ihrer Krankheit die Beziehung beendet hatte.
Wie der Film ausgeht, wurde schon verraten, nichtsdestotrotz lohnt sich ein Kinobesuch. Nanjianis Geschichte ist keine, die allzu oft im Kino erzählt wird. Seinen beruflichen Werdegang und Aufstieg können wir beobachten, genauso aber erspart er uns keine Details aus seinem Alltag. Ein witziger Höhepunkt sind die allwöchentlichen Abendessen im Kreise seiner Familie, die zwar sehr gerne in der USA verweilt, aber sich noch gar nicht von den Sitten und Bräuchen der alten Heimat trennen kann.
Der Film ist auf eine komische Art und Weise unterhaltsam, unaufgeregt, unprätentiös. Auch wenn die lebensnahen Figuren etwas aufgekratzt geschrieben sind, gab es mehr oder weniger nachvollziehbare Szenen und Dialoge eines Beziehungsalltags. Komödie hin oder her, The Big Sick nimmt auch die Gattung des Witzes – dem sprachlichen Werkzeug eines Komödianten – gebührend aufs Korn, der Humor war kein bisschen aufgesetzt, fast mehr subversiv als bemüht.
Get Out
Die aktuell größten Schlagzeilen machte dieser Film in der vergangenen Woche, als bekannt wurde, dass er bei den Golden Globes in die Kategorie „Comedy“ gesteckt wurde. Jetzt muss man nicht viel über Get Out wissen, um das als schlechten Scherz abzuhandeln, auch wenn es als Schachzug gedacht ist, die Gewinn-Chancen auf einen Award zu erhöhen. Dieser Phycho-Thriller ist weit von einer komödiantischen Ausrichtung entfernt. Für den Regisseur Jordan Peele ist das Debütwerk näher am Dokumentarischen als am Komödiantischen. Was der Film ganz sicher ist: eine Horrorstudie in Sachen Rassismus.
Der Plot: Chris Washington (Daniel Kaluuya) soll endlich die Eltern seiner Freundin Rose Armitage (Allison Williams) kennenlernen. Ein Wochenendtrip zum Armitage-Anwesen in ländlicher Südstaaten-Optik obwohl Upstate soll diesen Umstand ändern. Chris will zu Beginn von Rose wissen, ob es denn ihren Eltern was ausmache, dass er schwarz sei. Rose beinahe schockiert über diese Frage, kann ihn aber noch beruhigen. Auf dem elterlichen Anwesen – die Eltern werden gespielt von einer wirkungsvoll gespenstischen Catherine Keener und Bradley Whitford – angekommen, beginnt Chris – von Anfang an skeptisch und reserviert – beinahe vorausahnend die Ereignisse zu durchleuchten.
Der Film hat ein paar effektive Schnitt-Techniken, die an Genre typische Horror-Elemente erinnern, darüber hinaus sind es aber der stets eisige Ton in den zwischenmenschlichen Beziehungen (mit Ausnahme von Chris und Rose) und die stoische Gesprächsführung, die tatsächlich Gänsehaut verursachen. Wie hier Rassismus und Alltagsrassismus vorgeführt werden, können wir im Gesicht und der beeindruckenden Mimik von Daniel Kaluuya beobachten. Dem Publikum geht es oft wie Chris. Der findet sich schnell in Situationen wieder, die ihn ratlos machen. Wenn ihm von Familienfreunden gesagt wird, seine Hautfarbe sei jetzt gesellschaftlich „In“ bzw. modern, oder seine Statur und sein genetisches Erbgut bescherten ihm einen Monster-Körper. Chris fragt sich sichtlich oft, in was für einen Albtraum er da geraten ist. Diese Frage stellt sich das Kinopublikum bei Get Out nicht. Es wäre auch gelogen, zu behaupten, dass LilRel Howery nicht für den einen oder anderen Lacher sorge.
The Beguiled
Sofia Coppolas sechster und aktuellster Spielfilm Die Verführten ist bestimmt auch einer ihrer filmisch ausgereiftesten. Der Film versteht sich als dicht inszeniertes und stilistisch perfektes Kammerspiel um ein Mädcheninternat, welches einen verwundeten Soldaten aufnimmt. Die Protagonistinnen aller Altersklassen – eine kriegsbedingt eingeschworene und geschlossene Gesellschaft, abgeschottet von außen – drohen an dieser neuen Situation zu zerbrechen. Vor allem im Kampf untereinander. Aber nur fast. Für die jungen Mädchen und Frauen mag das Ende des Films Vergeltung mit sich bringen, für das Publikum passiert das nicht.
Die Handlung befördert uns in das 19. Jahrhundert des Amerikanischen Bürgerkriegs, der Soldat wird von Colin Farrell verkörpert (in der gleichnamigen Verfilmung von Don Siegel war es Clint Eastwood). Ihm gegenüber und mehr oder weniger offensichtlich um seine Aufmerksamkeit buhlend sehen wir Nicole Kidman, Kirsten Dunst und Elle Fanning. Als Verwunderter wird McBurney von einem der jüngeren Mädchen entdeckt, dann vor den anderen Soldaten im Haus versteckt. Rührend kümmern sich die Mädchen und Frauen um ihn, noch fühlt sich McBurney überlegen und spielt die Frauen gegeneinander aus. Bis die Sache eskaliert und dann beide Seiten um ihr Leben fürchten müssen.
Coppola adaptiert und verfilmt hierfür den Roman A Painted Devil von Thomas P. Cullinan, der stimmige Soundtrack kommt von der Indie-Pop-Band Phoenix, was ihr bei den Filmfestspielen in Cannes den Regiepreis einbrachte. Einerseits war es überhaupt nicht möglich, sich auch nur für eine Figur richtig zu erwärmen, viel zu zerrissen und gepeinigt waren die erwachsenen Figuren, andererseits war das auch nicht nötig, weil das der Film auch gar nicht voraussetzt oder verlangt. Wäre das dieser stets schaurige Grundton, der uns ahnen lässt, in welche Richtung sich diese Geschichte bewegen wird. Wir sehen hier menschliche oder menschennahe Abbilder, deren Überlebenstrieb und der krankhafte Wunsch nach Überlegenheit sie zu zweifelhaften Höchstleistungen bewegen. Egal, wie nachvollziehbar das für eine persönlich ist, es bleibt – genauso wie der Grundton des Films – gespenstisch.
5 comments
Ich hab von den drei vorgestellten Filmen nur „The Beguiled“ bisher gesehen. Den fand ich aber ziemlich gelungen, vor allem visuell, was aber bei Werken der werten Ms. Coppola wenig überraschend ist.
Ohne Zweifel, einer ihrer reifsten Filme, das muss ich schon sagen. Ich mochte den Ton, wobei mich die Geschichte etwas enttäuscht hat. Noch größere Freude habe ich am mutigen „The Bling Ring“ habe, da hat sie irgendwie was ganz Eigenes aufgestellt. Visuell hat mich der auch mehr gepackt.
Interessant. Für mich ist „The Bling Ring“ ihr bisher schlechtester Film. („A Very Murray Christmas“ zählt nicht als Film.) Auf der Bildebene zwar beeindruckend wie immer, aber irgendwie habe ich das kontemplative, langsame Erzählen ein wenig vermisst. Der Film ist mir (für Sofia Coppola Verhältnisse) zu schnell und hibbelig.
Was die erzählerische Ebene betrifft, dann ist The Bling Ring sicher eher unkonventionell, aber genau darin besteht der Reiz. Der Film begegnet dem Publikum mit einem Augenzwinkern und das finde ich erfrischend originell für Coppola. Mein Flop von ihr ist Marie Antoinette.
Mit „Marie Antoinette“ konnte ich tatsächlich wieder mehr anfangen. Da war vor allem die kontrapunktiv gesetzte Musik gelungen eingesetzt, weshalb sich der Film so ganz ahistorisch anfühlte und vielmehr den heutigen Zeitgeist reflektierte und zwar besser als der ebenfalls darauf rekurrierende „The Bling Ring“.
Bleibt nur die Frage offen, welchen Film von ihr du für den bisher besten hältst?