Die Tatsache, dass es Menschen wie mich gibt, die sich an ein Leben ohne „Star Trek“ nicht erinnern können, zeigt den enormen Einfluss, den das Franchise auf unsere westliche Kultur hatte. Ich bin mit „Star Trek“ aufgewachsen, und ich glaube durchaus, dass es meine Werte und meine Weltsicht entscheidend mitgeprägt hat. Mit dem Start der sechsten Serie „Discovery“ ist die Zeit reif für einen persönlichen Rückblick.
Bei allem pädagogischen Wert glaube ich dennoch nicht, dass meine Eltern einen zweiten Gedanken daran verschwendet haben, als sie mich „The Next Generation“ anschauen ließen. Die Serie wurde in Deutschland zum ersten Mal 1990 im Nachmittagsprogramm ausgestrahlt. Damals war ich gerade neun Jahre alt, es könnte also sogar hinkommen, dass ich die Erstausstrahlung sah. Ich wusste indes nichts über die Originalserie mit Kirk und Spock oder die schwere Last, die dieses Sequel zu tragen hatte, ich liebte einfach Science-Fiction und genoss es, wöchentlich in dieses wundervolle Universum voller exotischer Aliens einzutauchen. Mich selbst als Fan zu bezeichnen, wäre mir gar nicht in den Sinn gekommen, „Star Trek“ war etwas, was bei uns zu Hause eben geschaut wurde. Irgendwann in den frühen Neunzigern erhielt ich dann auch die Gelegenheit, die Originalserie zu sehen, und in meiner Ahnungslosigkeit im Hinblick auf Spezialeffekte hielt ich sie für neuer als das Sequel – vermutlich, weil die Geschichten frischer wirkten.
So richtig bewusst wurde mir die Größe des Franchises aber erst mit dem Start von „Deep Space Nine“, das 1993 zeitweise parallel zu „The Next Generation“ lief. Die Serie, die von einigen Fans bis heute als Abkehr von Gene Roddenberrys ursprünglicher Vision verteufelt wird, war die erste, nach der ich wirklich und wahrhaftig süchtig war. Sie war auch die erste, die ich reviewte, was mir schließlich meinen ersten Schreibjob bei einem Science-Fiction-Newsletter einbrachte, für den ich später auch über „Voyager“ schrieb, obwohl ich mit diesem Ableger ehrlicherweise nie richtig warm wurde.
Ich bin sicher kein typischer Trekkie, falls so etwas überhaupt existiert. Es ist, wie ich schon eingangs schrieb: „Star Trek“ war für mich nie etwas, wovon ich explizit Fan war. Ich habe das Franchise immer als eine Art übergeordnete Instanz empfunden – unangreifbar und Quelle der Inspiration für alle anderen Genre-Produktionen. Das ist auch der Grund, warum mich Merchandise (anders als bei anderen Dingen, die ich mag) niemals interessiert hat, warum ich kaum mehr als drei „Star Trek“-Romane gelesen habe und noch nie auf einer Convention war. Es ist aber auch gerade diese Vormachtstellung, die dem Franchise in den letzten Jahren so fürchterlich geschadet hat, denn sie ist mittlerweile nur noch eingebildet. Das Paradebeispiel dafür ist „Battlestar Galactica“, denn die darin erzählten Geschichten, die Optik, aber auch die Art und Weise, wie die Figuren gezeichnet wurden, waren zu der Zeit nicht nur für das Genre, sondern für Serien generell stilprägend. „Star Trek“ verlor seine Stellung als Mutter aller Science-Fiction-Serien, und das konnten weder die fünfte Serie „Enterprise“ noch die Reboot-Filme von JJ Abrams aufhalten, weil sie den Trends nur mehr hinterherhechelten.
Mit „Discovery“ schlagen die Verantwortlichen nun ein neues Kapitel „Star Trek“ auf, und es wird sich nicht vermeiden lassen, dass ihnen das wiederum etliche Fans übelnehmen. Aber es ist der nachvollziehbare Versuch, etwas Relevantes zu schaffen und erzählerisch neue Wege zu gehen, wo es visuell kaum noch möglich ist – dabei aber dem Vermächtnis von fünfzig Jahren Seriengeschichte treu zu bleiben. Das wird gewiss nicht in jeder Hinsicht gelingen, aber der Auftakt zumindest stimmt hoffnungsvoll, dass es irgendwann wieder völlig normal ist, dass gerade „Star Trek“ läuft.