Ich bin ein halbwegs kreativer, kulturinteressierter Mensch. Die künstlerischen Ausformungen der Medien sind mein Leben. Punkt.
Aber ich wohne nicht in einer Großstadt, geschweige denn einer der wenigen deutschen Metropolen. Das werde ich auch nie. Wegen der Liebe. Dabei machen einem besonders die Bloggosphäre und Twitter weis, dass das doch gar nicht geht. Wer nicht in Berlin wohnt, gehört ja gar nicht richtig dazu, zu den Kreativen. Nur da kann man sich ausleben, nur da steppt der Bär. Was nicht Berlin ist, ist Provinz, vor allem auch das Künstlerische betreffend. Auch Kreativjobs braucht man außerhalb der Millionenstädte eigentlich gar nicht suchen. Die Zentralisierung des Kulturbetriebs in Deutschland ist schlimm.
Jeder will in die Großstadt ziehen. Für Internetmenschen gibt es keine Alternative. Dabei sind die Großstädte ja längst voll. Wo sollen die denn alle in Berlin unterkommen, die Millionen Instagrammer? Und was soll Instagram überhaupt noch, wenn sich die Berlin- und Islandfotos nur noch selbst reproduzieren? Wenn sich die Kultur nur noch in Großstädten abspielt, mangelt es ja auch irgendwann an Perspektivenvielfalt. Das Leben in der Provinz ist ein anderes, aber auch dieses muss repräsentiert werden.
Vielleicht rede ich mir das nur ein, weil ich einen Provinz-Minderwertigkeitskomplex habe, aber auch vom Landleben muss im Internet erzählt werden, auch die außer-metropolische und vor allem außer-kulturzentrale Perspektive auf Dinge (selbst Filme und Mode usw.) muss präsent sein. Keine Ahnung, ob ich Filme anders sehe, weil ich nicht in einem Filmzirkel lebe, keine Retrospektiven im Kino um die Ecke habe, aber es ist möglich, und dann ist es eine wertvolle Sicht. Aber sie wird nicht so leicht wahrgenommen.
Ich bin in einem Dorf unweit einer Großstadt aufgewachsen, aber habe mich, wie die allermeisten anderen jungen Menschen, immer als Großstadtmensch gesehen. Nach wenigen Jahren in einer Großstadt wohne ich unfreiwillig schon seit langer Zeit wieder außerhalb von Großstädten und ich muss sagen: Ich mag die Ruhe und noch mehr mag ich die Weite. Aber ich mag eben auch Kinos und Konzerte und Ausstellungen und Vielfalt. Momentan wohne ich in einem Kaff und es macht mich todunglücklich. Aber es ist auch schön, wenige Minuten zu laufen und in den Feldern zu stehen. Bin ich mal wieder in einer Metropole (München ist nicht so weit – ja, München ist eine Metropole, ihr Snobs!), dann hasse ich die Menschen und Autos – überall Menschen und Autos, man entkommt ihnen nicht. Man ist stundenlang unterwegs, um mal außerhalb seiner vier Wände seine Ruhe zu haben. Internetmenschen sind doch introvertiert, warum finden die das nur alle gut? Anonymität hin oder her, die hat man in jeder Siedlung ab einigen Tausend Einwohnern, das ist kein Argument.
Warum will ich also noch mal in eine Großstadt (die beginnen übrigens bei 100.000 Einwohnern – scheint auch nicht allen klar zu sein)? Ach ja, wegen der Kinos. Und der Konzerte. Ich gehe im Jahr etwa einmal auf ein Konzert. Das würde sich in Berlin wohl auch kaum ändern, denn ich kenne und mag nun mal wenige Musiker so sehr. Ist doch voll okay, dafür zwei Stunden unterwegs zu sein. Das macht das Konzert ja auch besonderer, als wenn man dafür nur fünf Minuten in der U-Bahn sitzt. Ins Kino gehe ich oft – wenn ich denn kann. Einmal pro Woche mindestens. Aber dafür genügt es auch, zugnah an einer recht gut kinobestückten Stadt zu wohnen. Retrospektiven gibt es dann halt nicht, aber mit einem guten Heimkino ist das leicht kompensiert. Leben besteht ja auch nicht nur aus Kino (ja, wirklich!). Die guten Ausstellungen sind sowieso immer woanders und Reisen ist doch schön. Nur die Pressevorführungen, um die beneide ich die Metropolisten. Aber das macht einen auch nicht automatisch zur (guten) Filmkritikerin.
Und in der Provinz, da kann ich mich wenigstens besonders fühlen als kreativer Internetmensch. Hier gibt es nicht viele von der Sorte. Man wird leicht einsam (aber wozu gibt es das Internet?), dafür ist man nicht nur eine von vielen. Wahrscheinlich führe ich hier den einzigen Medienblog weit und breit. Ich bin Vorreiterin, ich schließe eine Lücke. Hier bin ich außergewöhnlich, in Berlin wäre ich komplett unterdurchschnittlich.
Warum will ich noch mal in einer Großstadt wohnen?
3 comments
Irgendwie habe ich das Gefühl, ich sollte mal aufs Land ziehen. Oder zumindest in eine Kleinstadt. Einfach nur, um mal eine andere Perspektive zu bekommen. Habe ich gerade wieder gemerkt, als ich deinen Post gelesen habe. Ich betrachte die Dinge irgendwie so einseitig aus meiner Großstadtperspektive. Aufs Land zu ziehen wäre der absolute Horror für mich. Vermutlich, weil ich es nicht gewohnt bin.
Ich bin Großstadtkind durch und durch. In Berlin geboren, aufgewachsen und immer noch dort lebend. Dass eine Großstadt ab 100.000 Einwohnern beginnt (war mir übrigens tatsächlich nicht klar, weil ich noch nie darüber nachgedacht habe), bringt mich irgendwie zum Lachen, weil ich dann daran denke, wie ich mal überlegt habe, wo ich ein Auslandsjahr machen könnte, und alle Städte, die so „klein“ oder kleiner sind, konsequent aussortiert habe. 100.000, das sind weniger Einwohner als die des Stadtteils, in dem ich wohne. Für mich klang das nach Dorf.
Dabei musste ich dann feststellen, dass es in Deutschland oder auch zB Frankreich erstaunlich wenig Städte mit mehr als einer Million Einwohner gibt. Dass Berlin irgendwie schon eine Ausnahme ist.
Dass mir andere Städte so klein vorkommen, hat auch seine Vorteile. ZB brauche ich in Hamburg fast nie öffentliche Verkehrsmittel, weil ich alles ablaufe. Ist ja alles viel kleiner als Berlin, geht also.
Überhaupt ist mein ständiger Vergleich aller Orte mit Berlin vielleicht schon etwas zwanghaft :D.
Aber ich liebe es auch einfach, hier zu wohnen. Nicht mal wegen Konzerten oder anderer Sonderveranstaltungen. Für die würde ich auch gerne mal weiter fahren, weil sie, wie du schon sags, ja ein besonderes Erlebnis sind. Auch nicht mal unbedingt für den Austausch mit anderen, denn ich hocke trotzdem immer noch erstaunlich viel zuhause oder bewege mich in den immer gleichen Kreisen.
Aber ich liebe es einfach, dass es hier alles gibt. Theater, Museen, Kinos, Buchläden in Massen. Spezielle Läden für jedes noch so kleine Nischeninteresse, Chöre, Theatergruppen, Sportvereine für die exotischsten Sportarten. Egal, was man machen, kaufen oder angucken will – Hier findet man es in höchstens einer Stunde Entfernung (Mit den Öffis. Da ich keinen Führerschein habe, ist das ein wuchtiger Punkt für mich.) Da kommt es noch nicht mal darauf an, ob ich das Angebot tatsächlich nutzen will. Es ist einfach ein tolles Gefühl, dass es da ist.
(Naja, zumindest aus meiner Perspektive gibt es hier alles, was aber natürlich auch nicht ganz stimmt. Wandern oder Skifahren oder Campen würde sich hier zB eher schwierig gestalten :D.)
Ebenfalls super finde ich, dass man hier super gut zu jeder Zeit mit Bus und Bahn wegkommt, auch mitten in der Nacht unter der Woche. Für jemanden wie mich, die ich momentan nicht vorhabe, den Führerschein zu machen (An vielen Orten in Berlin ist ein Auto auch recht sinnlos :D), ist das extrem wichtig bei der Wahl des Wohnortes.
Und ich habe das Gefühl, in einer großen und bunten Stadt wie dieser wird man viel eher akzeptiert, wenn man irgendwie ungewöhnlich aussieht oder ist. Im Urlaub in Dörfern wurde ich wegen meiner früher blauen Haare schön öfter mal schräg angesehen als in Berlin. Kann aber natürlich auch Einbildung sein, weil einem in der Großstadt so gerne von der Engstirnigkeit der Landbevölkerung erzählt wird.
Am tollten finde ich aber, dass ich bisher viele der Dinge, die andere an Großstädten stören, umgehen konnte. ZB habe ich noch nie mitten in der Stadt gewohnt, sondern immer in ruhigen Gegenden, wo man nur 10min bis zum nächsten Wald, Park oder Gewässer laufen musste und nachts zwei Straßen weiter nur noch jede halbe Stunde ein Auto vorbeikommt. Wenn ich meine Ruhe haben will, muss ich einfach nur zuhause oder in meiner Nachbarschaft bleiben, und das ist wirklich toll. Dafür nehme ich auch gerne in Kauf, überall eine 3/4 bis Stunde hinfahren zu müssen. Ganz im Stadtzentrum würde ich es vermutlich auch nicht aushalten.
Wie man sieht, bin ich also ein absoluter Großstadt-Fan :D. Gerade deshalb finde ich andere Perspektiven aber auch echt spannend. Ich habe das Gefühl, das Landleben wird in den Medien eher seltener behandelt, weil es auf den ersten Blick nicht so glamourös wirkt. Dafür ist es eben auch nicht so dreckig, stressig, abgeranzt, hektisch, … wie die Stadt. Es hat alles seine guten Seiten.
Wow, mal wieder viel zu lange zu viel zu später Uhrzeit gequatscht :D.
Liebe Grüße,
Charlie
Hui, danke für den ausführlichen Kommentar.
Ich glaube ja, als Ur-Berlinerin kann man sich schwer an anderen Orten eingewöhnen. Überall sonst hat man eben nicht alles vor der Haustür und überall sonst ist es nun mal kleingeistiger oder jedenfalls weniger blauhaarig. Ich könnte das nicht haben, wenn jeder Zweite auf der Straße zwanghaft auf kreativ macht, aber es bietet bei der Gestaltung des eigenen Aussehens natürlich schon die Freiheit, nicht kalkulieren zu müssen, ob man die Blicke aushalten will.
Aber Hamburg ist nun wirklich keine Laufstadt. Laufstädte sind alles unter U-Bahn – denn es gibt ja einen Grund dafür, schneller als mit Straßenbahn von A nach B kommen zu müssen.
Naja, ich denke schon, dass ich mich in anderen großen Städten auch wohlfühlen könnte. Es ist ja auch nicht so, als würde man woanders gar nichts finden, als gäbe es woanders nichts, was es in nicht Berlin gibt, oder als gäbe es nicht vieles, was es hier gibt, auch woanders. Ich wollte jetzt nicht den Eindruck erwecken, als würde ich andere Städte schlechtmachen wollen, nur weil ich Berlin mag und hier momentan nicht weg will. Ich Dohle mich auch woanders wohl.
Und ob man mit blauen Haaren schräg angeguckt wird, ist auch nicht meine Priorität, wenn es darum geht, ob ich mich irgendwo wohlfühle :D. Wenn ich mir die Haare so färbe, muss ich damit leben, dass es ungewöhnlich ist.
Ich habe das auch nicht gemacht, um betont kreativ zu sein oder so, und es ist auch nicht so, als würden in Berlin nur Leute rumlaufen, die absichtlich versuchen aufzufallen. Solche Menschen gibt es überall und gerade in Berlin fällt man damit auch kaum noch auf.
Aber es kann auch ein gutes Gefühl sein, nicht darüber nachdenken zu müssen, ob das, was man hier tut, dann Dorfklatsch werden wird oder so. Aber wie gesagt, mein Eindruck vom Landleben ist sehr einseitig :D.
Naja, für mich ist Hamburg schon eine Laufstadt :D. Als Tourist sieht man sich in der Regel ja nur die Innenstadt an und die kann man gut ablaufen, finde ich. Wenn ich da wohnen würde und eher am Rand eine Wohnung hätte, würde ich natürlich auch Bahn fahren.
Aber das Vorhandensein einer U-Bahn bringt mich nicht unbedingt dazu, die zu nutzen. Die sehe ich mehr als Mittel, um von weiter draußen in die Innenstadt zu kommen, aber nicht, um mich in der Innenstadt fortzubewegen. Spart auch ne Menge Geld und man sieht viel mehr von der Stadt , auch wenn es etwas länger dauert.
Selbst in London bin ich extrem viel gelaufen, obwohl das eher eine Stadt ist, in der ich die U-Bahn benutzt habe. Es gibt also schon Städte, wo mir die Innenstadt zu groß zum Laufen ist :D.