Lena
Ja, dieser Wonder-Woman-Film ist etwas Besonderes. Hier geht es um Krieg, einen realen, in dem tatsächlich jede einzelne Actionszene ihren Sinn hat (okay, ich habe Captain America nicht gesehen). Die Kriegshandlungen, die in jedem Superheldenfilm stattfinden, sobald Zivilisten sterben, werden in die reale Welt geholt und auf eine sehr bodenständige menschliche Ebene, weil der Krieg quasi durch die Augen eines Kindes betrachtet wird. Die amazonische Halbgöttin Diana, die in einem Inselparadies aufwuchs, weiß nichts davon, was Menschen einander antun, und staunt, als sie in den Ersten Weltkrieg stolpert und verstümmelte Körper an ihr vorbeihumpeln. Das sind die Opfer, die in anderen Superheldenfilmen unsichtbar unter den einstürzenden Neubauten begraben werden. Und sie sind der Antrieb für Dianas Mission, den Krieg an sich zu beenden, indem die Missgunst in den Herzen der Menschen zerstört wird. Diana wird also vom Leid anderer angetrieben, vom Mitleiden, nicht von ihrer eigenen traumatischen Vergangenheit, nicht von einer drückenden Last der Verantwortung durch ihre große Stärke. Sie will tatsächlich selbstlos helfen und bringt damit das Superheldenthema zu seinen Wurzeln zurück. Sie ist freundlich, offen, idealistisch, sensibel, sogar naiv, mitfühlend und leidet nicht an ihrer Stärke, sondern umarmt ihre Verantwortung, der Welt Frieden zu bringen. Und dann ist sie auch noch eine furchtlose, selbstbewusste Anführerin – wow! Diese Eigenschaften sind für sich genommen nicht neu im Superheldenkino (sondern genau genommen bei diversen Marvel-Helden zu beobachten), traten aber noch nie in dieser erfrischenden und eigentlich widersprüchlichen Kombination auf. Kämpfende Filmheldinnen mit überzeugender körperlicher Kraft sind meist tough, unbarmherzig und werden für ihre Rachsucht und ihr bedingungsloses Durchsetzungsvermögen gefeiert. Dianas Triebfeder aber ist ihr Herz. Erst dieses macht sie so zielstrebig und unerschütterlich. Ihre Naivität, weil sie die komplexe Welt der Menschen nicht kennt, ist keine Schwäche. Sie sieht dadurch vielmehr klarer als die Menschen, die das Leiden einzelner vertheoretisieren und als nebensächlich abhaken im großen Ganzen. Gal Gadot als diese wundersame Frau ist die reinste Freude, eine Idealbesetzung sondergleichen, schön und stark und schelmisch.
Aaaaaaber: Leider ist diese Diana trotzdem nicht mehr als eine Kriegerin. Sie will kämpfen und siegen und sonst nichts. Okay, den Weltfrieden vielleicht – aber dann? Ihre Daseinsberechtigung ist das Töten (eines ziemlich bösen Typs, den keiner vermisst, zugegeben, aber dennoch). Und das tut sie als Pazifistin unnötig oft im Film. Sie beweint die verwundeten Soldaten und trägt selbst zur Verwundung bei. Sie will Frieden, aber handelt selten friedlich. Kriege werden nicht beendet, indem einzelne Menschen aus der Welt geschafft werden. Hier liegt der Film richtig. Dass dauerhafter Frieden aber durch Überzeugungsarbeit statt Kämpfe entsteht, dazu kommt der Film gar nicht, weil ja wieder der eine abstrakte Über-Kampf ausgetragen werden muss. Eine ungewöhnliche Protagonistin hebt noch nicht die Gesetze eines ganzen Genres aus den Angeln. [Spoiler] Dabei wäre der Film so viel stärker, würde er nach dem ersten Finalkampf enden, weil er dann auf dieser wunderschön menschlichen, bodenständigen und für Zuschauer tatsächlich nachvollziehbaren Ebene bliebe (weil das Böse eben kein Prinzip ist, sondern konkret menschlich und damit nicht mit einem Mord aus der Welt zu schaffen). Wonder Woman hat Besseres als so ein typisches Superheldenfinale verdient. Der Film lässt sie zwar durch ihr besonderes Wesen siegen statt durch Waffen, aber doch vor allem durch ihre Muskelkraft, die für kleine Medienmädchen im Publikum unerreichbar ist. Dabei hat sie es verdient, dass sie andere mit ihrem leidenschaftlichen Glauben an eine gute Welt ansteckt und so mit ihrem starken Charakter die Welt rettet.[/Spoiler] Ich meine, ja, es IST Balsam für die Seele, zuzusehen, wie eine sensible, unbesiegbare Frau ihren zarten, starken Körper elegant durch die Luft wuchtet und dabei nicht im Dienst männlicher Helden steht, sondern vielmehr sogar dabei von ihnen unterstützt wird, ihr eigenes Ding durchzuziehen. Sie ist schon ein okayes Vorbild. Ich wünschte nur, sie wäre wirklich Pazifistin.
Jelena
Jetzt stellt euch mal vor, ein Regisseur wie Zack Snyder hätte einen Film wie Wonder Woman gemacht. Ein bisschen unvorstellbar das Ganze und der fertige Film wäre dann eine feuchte, altbackene und hundert Mal dagewesene Männerfantasie und vom Setting her wahrscheinlich eine Mischung aus Sucker Punch (schlimm!) und 300 (unbeschreiblich schlimm!). Patty Jenkins, die vor allem für Monster, Charlize Therons Oscarfilm und diverse Regiearbeiten im Fernsehbereich bekannt ist, führte bei Wonder Woman Regie und das Ergebnis ist erfrischend erfreulich und kein bisschen langweilig. Ich will nicht sagen, dass viele Kinofans auf so einen Film gewartet haben, aber warum denn um den heißen Brei herumreden: auf so einen Film haben viele Kinofans lange gewartet. Endlich eine gelungene Comicverfilmung mit einer Superheldin im modernen Kostüm. Immerhin hat der sterbenslangweilige Spiderman nun seine dritte Franchise in nur 15 Jahren, also warum nicht auch Wonder Woman. Endlich! Nun kann man vielleicht so argumentieren, dass grundsätzlich die Messlatte bei DC-Verfilmungen auch nicht so hoch wie bei Marvel liegt – vielleicht mit Ausnahme der Nolan-Batmans, aber der Film ist wirklich sehenswert und kommt sowohl beim Publikum als auch bei der Filmkritik gut an. Als in Superman V Batman: Dawn of Justice der neue Batman von Ben Affleck eingeführt wurde, war es Gal Gadots Wonder Woman, die beiden ohne mit der Wimper zu zucken die Show stahl.
Ich habe den Film in einer Vorpremiere, einen Tag vor dem offiziellen Starttermin gesehen. Der Saal mit über 300 Sitzplätzen war rammelvoll, das Publikum war sehr gut drauf, es wurde viel gelacht, gejubelt und zum Schluss sogar applaudiert, was für reguläre Vorstellungen hierzulande eher ungewöhnlich ist. Eine junge Frau kam sogar in Wonder Woman-Montur, was natürlich für Begeisterung sorgte. Kommen wir wieder zu Jenkins und dem Film zurück, die – nach den Box-Office-Einspielergebnissen von Wonder Woman nach zu urteilen – sich auf eine Fortsetzung freuen kann. Unsere Superheldin heißt Diana Price und wohnt auf einer Kriegerinneninsel, ein verlassenes Fleckchen voller Amazonen. Sie ist eigentlich Prinzessin und da das Kämpfen in ihrer Welt obsolet geworden ist – Ares ist im letzten Krieg besiegt, muss man sie ständig davon abhalten. Doch sie kann einfach nicht anders, später erfahren wir natürlich auch, warum. Aber es gibt ja noch eine Parallelwelt, wo noch der Erste Weltkrieg herrscht und als diese beiden Welten aneinander geraten, kommt der Plot in Gang. Diana trifft dabei auf Steve (Chris Pine), die beiden begeben sich in eine temporäre Zweckgemeinschaft (das zarte Aufkeimen einer Romanze ist so nebensächlich abgehandelt, dass man sich kein bisschen daran stört – die Chemie zwischen Pine und Gadot ist perfekt), sie hilft ihm, er hilft ihr und schließlich wird der Feind besiegt. Dieser furchtbare Krieg ist überstanden. Das Publikum kommt nicht umhin, mit Diana diesen Krieg, das Ausmaß der Zerstörung auch tatsächlich wahrzunehmen. Diana kämpft um das Leben der Menschheit, wird dabei körperlich immer stärker. Trotz ihres knappen Outfits (welches sogar noch kleidsamer ist als in den Comics) fühlt es sich nie danach an, als würde sie einen bestimmten Blick bedienen. Ihr Körper ist etwas organisches, ein Werkzeug und das Mittel zu ihrem Zweck und sonst nichts. Die Körperlichkeit ist hier etwas Natürliches, nichts Konstruiertes, nichts Forciertes. Patty Jenkins’ Talent und ihr unverbrauchter Zugang zum Stoff samt Gal Gadots wunderbarer Interpretation einer Kriegerin haben uns diesen Film beschert. Bitte mehr davon!
k4tze
Der Film bricht mit der düsteren Videoclip-Ästhetik und setzt auf eine eindeutige Botschaft, die mich gegen Ende tatsächlich an Das letzte Einhorn erinnerte. Ein Film, den ich mir als kleines Mädchen gewünscht hatte. Ein Film, der zielgerichtet die Geschichte voran treibt, sich nicht mit Kleinigkeiten aufhält und gegen Ende den Big Bad besiegt. In k4tzes Blog weiterlesen …
Friedl
Friedl war auch angetan, hat aber eine ganz eigene Perspektive auf den Film: klick
Wonder Woman
2017
Regie: Patty Jenkins
Drehbuch: Allan Heinberg
Schauspiel: Gal Gadot, Chris Pine, Connie Nielsen, Robin Wright, Danny Huston, David Thewlis
Kamera: Matthew Jensen
Musik: Rupert Gregson-Williams
Bilder © Warner Bros. Entertainment Inc. and Ratpac Entertainment, LLC
4 comments
Als damals die ersten Diskussionen um die Verfilmung von Wonder Woman aufkamen und Gal Gadot genannt wurde, war ich skeptisch. Aber bereits der kurze Auftritt bei Batman kloppt sich mit Superman, ließ meine Skepsis schwinden. Jetzt nach Sichtung des Films halte ich Gal Gadot für die perfekte Wahl. Wunderbar in Szene gesetzt und von Anfang bis Ende präsent trägt sie den Film im Alleingang, wie es sich für eine Superheldin gehört…
Keine Ahnung, ich kannte sie vorher gar nicht (aber Wonder Woman selbst ja auch nicht richtig). Aber nun ist es schon ein unglaubliches Glück, dass sie sie aufgetan haben. So eine kindliche Freude und überzeugende Stärke in einer Person, das muss man erst mal haben.
Ich lerne so viel über Wonder Woman alleine durch euren Blog und langsam überlege ich wirklich, ob ich ihn mir nicht wenigstens angucke, wenn er auf DVD raus ist :D.
Eine Superheldin, die aufgrund ihres guten Herzens Heldin ist und nicht aufgrund irgendwelcher Komplexe, klingt schon mal nach einer angenehmen Abwechslung.
Schade aber, dass sie die Figur dann offenbar nicht wirklich konsequent gemacht und lieber in das Action-Genre gequetscht haben. Eine pazifistische Heldin wäre doch was.
Perfekt ist der Film vielleicht nicht, aber wirklich unbedingt sehenswert. Diana tut als Figur so gut, auch wenn sie ihren Pazifismus nicht ganz durchsetzen kann gegen den Film. Und es ist einfach mal wieder eine schöne, unverstellte Abenteuer- und Entwicklungsgeschichte – was das Superheldengenre ja mittlerweile ziemlich verlernt hat.