Wonder Woman ist ja schön und gut (aber echt!), andere Franchises haben aber auch schöne und gute Superheldinnen. In unserem Heldinnenmonat geht es daher nach unseren liebsten (mehr oder weniger) durchschnittlichen Heldinnen heute weiter mit den Frauen mit (mehr oder weniger) übermenschlichen Fähigkeiten, die uns am meisten beeindruckten. Dass sich nicht alle Medienmädchen leicht dabei getan haben, Protagonistinnen mit klassischen Superkräften zu finden, die sie für sich selbst als Heldinnen verstehen, zeigt aber, wie unterrepräsentiert sie einerseits sind, andererseits aber auch von einem sexualisierenden männlichen Blick geprägt und für einen solchen inszeniert. Hoffen wir, dass Wonder Woman nun auch auf der Leinwand den Weg bereitet für Superheldinnen, zu denen Frauen wie Männer aufblicken können.
Friedl: Tank Girl
Ich liebe ja Catwoman, wenn Michelle Pfeiffer sie spielt, lehne aber Superheldinnen mit hohen Schuhen kategorisch ab. Das geht einfach nicht. Man wird zwangsgewöhnt an diese komischen Körperformen, die im DC- und Marvel-Universum gang und gäbe sind und man nimmt irgendwann hin, dass die ganzen Pumperdamen (und natürlich auch Herren) nur aus Brüsten und Muskeln bestehen.
Ich mag die neue Batwoman, die hat funktionstüchtige Stiefel an, ist herrlich bleich und hat einen Rotton im Haar, an den meine natürlichen Haare nicht herankommen. Doch ihre Homosexualität wird mir zu sehr ausgeschlachtet. Als wäre das etwas Besonderes, wie ihre absatzlosen Schuhe zum Beispiel. Die lassen sich wahrscheinlich nicht so gut in eine Männerfantasie verarbeiten.
Ich liebe Rogue, hasse aber ihr Outfit außerhalb der Filme und X-Men: Evolution und präferiere die Zartheit der Anna Paquin. Ich mag jetzt aber nicht darüber eine 300-seitige Abhandlung schreiben, warum ihre Superkraft so wichtig, aber auch so furchtbar ist. Wie sehr sie darunter leidet und wie wichtig es ist menschliche Nähe zulassen zu können.
Doch irgendwie lande ich nach all dem Gejammer über Superheldinnen und was mich an ihnen oftmals stört eh wieder bei Tank Girl. Bei der weiß man wenigstens, woran man ist. Da wird nicht ständig an der Geschichte herumgeschraubt, je nachdem, was gerade populär ist. Nein, Tank Girl wurde mit einem bescheuerten Film in den 90er Jahren bedacht, den ich liebe, die Comics gibt es in schönen Sammelbänden und man kann sich an Ecken und Kanten erfreuen. Bei jeder Frau und jedem Känguru.
Jelena: Black Widow
Natasha Romanoff alias Black Widow stellt mehr als irgendeine andere Figur das verbindende Element im Marvel-Universum dar. Eingeführt wird sie 2010 und vermag gleich zu begeistern als Tony Starks Assistentin im ansonsten unglaublich langweiligen Iron Man 2. Sie macht einen ausgezeichneten Sidekick von Captain America in The Winter Soldier (für mich der bisher beste Film aus dem Marvel-Universum). Sowohl Iron Man als auch Captain America begegnet sie auf Augenhöhe. Wenn sich beide in Ego-Streitigkeiten und Kindereien verwickeln (Civil War), bewahrt sie stets den kühlen Kopf und Weitblick. Außerdem ist sie es auch, die für S.H.I.E.L.D. Hulk mit ins The Avengers-Boot holt. Als Comic-Heldin mit übermenschlichen Fähigkeiten zeichnet sich die ehemalige russische Agentin – abgesehen von ihren stets beindruckenden Kampfkünsten – besonders durch Verhandlungsgeschick, Gemütsbeherrschung und taktisches Kalkül aus. Gespielt wird sie von der wunderbaren Scarlett Johansson, die dieser sehr tragischen Figur viel Charme einverleibt, darin aber auch viel schauspielerisches komödiantisches Geschick beweist. Da ihr eine eigene Franchise samt Filmableger bisher verwehrt blieb, sind es die Avengers-Filme, wo ihre verletzliche Seite langsam auch zum Ausdruck kommen darf. Im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen und anderen Avengers werden ihre optischen Attribute visuell viel eindeutiger für ein männliches Publikum in Szene gesetzt, aber da kommen wir nun mal nicht an Hollywood vorbei.
Jes: Daisy Johnson
Als Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D. 2003 startet, ahnt keiner, welche Richtung die Serie einschlagen wird – es geht eigentlich nur um Fanliebling Phil Coulson. Die impertinente Hackerin Skye (Chloe Bennet) ist vielen sogar ein Dorn im Auge, und doch ist die Serie das beste Beispiel einer gelungenen Origin Story. Dank des Formats hatten die Autoren viel Zeit, die Figur wachsen zu lassen – so wurde aus der Waise Skye zunächst Daisy Johnson und schließlich Quake, die Superheldin, die immer wieder gegen Vorurteile ankämpfen muss und selbst mit ihrer Rolle hadert. Ihre Beziehung zu den anderen Figuren bleibt dabei immer enorm wichtig, denn anders als die Helden und Heldinnen der Kinofilme ist sie keine Einzelkämpferin. Ihre Stärke sind nicht ihre Kräfte, das ist ihre selbstgewählte Familie von S.H.I.E.L.D.
k4tze: Buffy Summers
Zu Beginn der 1990er sehen wir eine Handvoll weiblicher Charaktere, die nicht mehr nur auf ihre Schönheit und Weiblichkeit oder ihrer „Damsel in Distress“-Rolle reduziert werden, sondern als starke Frauen im Mittelpunkt stehen, wie Xena (Xena – The Warrior Princess), Captain Samantha Carter (Stargate: SG1) oder Ellen Ripley (Alien-Franchise) und nicht zuletzt Buffy Summers (Sarah Michelle Gellar). Joss Whedon konzeptionierte Buffy als starke Heldin, die trotz alledem weiblich sein darf und veranschaulicht damit, dass starke Frauen nicht einem bestimmten Bild entsprechen müssen. Buffy kann Sex haben, ohne dass sie stirbt; Emotionalität, die oft negativ behaftet ist, verleiht ihr Stärke und die Tatsache, dass sie auch um Hilfe fragt, bricht mit dem stereotypen „Lone-Wolf“-Heldenklischee.
„I want to date, and shop, and hang out, and go to school, and save the world from unspeakable demons. You know – I want to do girly stuff.“
Lena: Jean Grey
Ich kenne Jean Grey, seit 2000 der erste X-Men-Film in die Kinos kam. Aber erst 16 Jahre und eine Neubesetzung später verstand ich, dass Jean Grey die ideale Superheldin ist. Nichts gegen Famke Janssen, aber mit ihrer reservierten Professionalität konnte ich mich als junge Frau eben viel weniger identifizieren als mit Sophie Turners entfremdeter Zerbrechlichkeit. Erst durch ihre übersteigerte Sensibilität verstand ich die revolutionäre Aussage hinter Jean Greys Fähigkeiten: absolute Macht, die mit absolutem Mitgefühl einhergeht. Als Telekinetin und Telepathin kann sie Materie und Geist manipulieren. Ihre Stärke ist also mentaler Natur, sodass sie keine (männlichen) Waffen braucht, um zu siegen, sondern Einfühlungsvermögen und innere Kraft. Sie ist mit der Welt, den Dingen und den Menschen verbunden und kann vielleicht als Einzige die Welt wirklich verändern und Frieden bringen, weil sie Wahrnehmungen lenken kann. Und sie ist, besonders in Sophie Turners Gestalt, empfindsam, einsam und zerbrechlich, keine Kampfmaschine, kein weibliches Pendant zu Wolverine. Ich kenne ihre Geschichte in den Comics nicht, aber ich hoffe, dass ihr geplanter Solofilm ihren weiblich konnotierten Fähigkeiten endlich gerecht wird und sie nicht in einen männlichen Handlangerdienst stellt, sondern sie eigene, intuitive, mitfühlende Entscheidungen treffen lässt. Sie kann nicht nur (ganz schön krass) töten, sie kann auch helfen. X-Men: Apocalypse ist ein ausgiebig gescholtener Film, aber er hat mir die bis dato empowerndste Szene im gesamten filmischen Superheldenuniversum geschenkt (mit flachen Schuhen!). Das war es wert.