Für 80 € hin und retour fliegt man von München mit der Eurowings, einer Tochtergesellschaft von AirBerlin, nach Paris. Die Anreise zum Flughafen selbst ist um ein Vielfaches länger als die eigentliche Flugzeit, und mit einer Gesamtzeit von ca. 12 Stunden (gerechnet von der Abfahrt bis zur Ankunft) hätte man sich auch via Nachtzug chauffieren lassen können, der es bei guter Verbindung auch in acht Stunden schafft. Besonders nett war das Lebkuchen-Herz, dass alle Fluggäste beim Boarding bekommen haben. Es half über den ersten großen Hunger außerordentlich gut hinweg.
Das Wetter im März ist wechselhaft, in der Sonne zu warm, im Schatten viel zu kalt, die U-Bahn wie immer faszinierend und die Menschen attraktiv.
Man kennt Paris als die „Stadt der Liebe“. Dies muss aber keine empirische Erfahrung sein, sondern gehört zur Imagination, zur Vorstellung und den Bildern, die sich das Kollektiv von einer Stadt durch Literatur und Film zusammengeschustert hat. Es gibt vermutlich kaum jemanden, der bei Paris nicht an, übertrieben gesagt, die „große Liebe“ oder zumindest an ein „romantisches Dinner“ denkt. Und vielleicht beschleicht einen auch tatsächlich ein romantisches Gefühl, wenn man nach Paris geht – aber auch das hat weder mit Empirie noch mit Architektur zu tun, die, je nach Witterung, recht trostlos wirken kann, sondern wurde wie so vieles von der Literatur des 19. Jahrhunderts geschaffen.
Es folgt ein Reisebericht, ein Stadttext über Paris, eine Erzählung über Literatur und narrative Konstruktion.
„Das ist Sehnsucht, wohnen im Gewoge und keine haben in der Zeit.“ (Rilke)
Paris gilt in der französischen Literatur des 19. Jahrhunderts als Bühne des sozialen Miteinanders. Als Heimat der Flaneure, die durch die Straßen bummeln, sowie als hässlicher und ambivalenter Ort, an dem die Welten zwischen Arm und Reich aufeinanderprallen. Als Großstadt neben London wird Paris ein Synonym für eine ästhetische Moderne. Zu dieser Zeit etablierten sich Topoi in der Literatur, die diese Stadt bis heute prägen – auch wenn wir sie vielleicht gar nicht so wahrnehmen und ein wenig enttäuscht davon sind.
„Dem Flaneur ist seine Stadt – und sei er in ihr geboren wie Baudelaire – nicht mehr Heimat. Sie stellt für ihn einen Schauplatz dar.“ (Benjamin)
Wenn Walter Benjamin in seinem Passagenwerk, an dem er zwischen 1927 und 1940 gearbeitet hatte, über Paris schreibt, versucht er es als Stadt der Moderne zu verorten. Er sammelte Essays, Gedichte und Texte zu Paris. Thematisierte das „fahle Licht“ der Gasbeleuchtung, das eine ganz andere Nacht erschafft als jenes der Öllampen, und fragt sich, was dies mit der Wahrnehmung der Menschen macht, da die Nacht nicht mehr so dunkel ist wie zuvor. Und jeder, der in einer Stadt lebt oder einst gelebt hat, weiß aus eigener Erfahrung, dass es keine dunklen Nächte gibt.
Walter Benjamin prägte damit den Blick auf die Stadt und die Heimat. Der Titel führt zurück zu den überdachten Ladenpassagen, die sich seit dem frühen 19. Jahrhundert finden lassen. Er sammelte als Flaneur Hintergründe über eben diese Passagen und Straßen, Warenhäuser und Weltausstellungen und schrieb über Mode, Prostitution und Reklame.
1901 hat Paris weit über zwei Millionen Einwohner. Auf engstem Raum finden sich Luxus für Privilegierte und Elend für sozial Deklassierte. Alte Stadtteile werden zwischen 1958 und 1963 kontrollierbarer. 2010 werden 2,244 Millionen Einwohner gezählt auf einer Fläche von ca. 100 km².
Und anhand des Erscheinungsbilds der Menschen bemerkt man doch, in welchem Bezirk man sich befindet. Der Weg zum erwählten Hotel, knapp noch in Zone 1, weist deutlich mehr Menschen mit dunkler Hautfarbe auf als das touristische Zentrum. Für meinen Mitreisenden und mich allerdings kein Grund zur Sorge, selten fühle ich mich auf Reisen ängstlich oder unwohl, ganz im Gegenteil sogar. An dieser Stelle gilt es vielleicht zu erwähnen: Seid nicht sparsam: Leistet euch das 5-Zonen-5-Tages-Ticket um 63 € (inklusive Flughäfen, Versailles, Disneyland) statt dem 52-€-3-Tages-Ticket. Dieses läuft nämlich nicht wie erwartet alle 24 Stunden ab, sondern um Punkt 12 Uhr, ganz gleich, zu welchem Zeitpunkt man es gelöst hatte.
Die Informationen für diesen Beitrag stammen u.a. aus der 3. Einheit der Ringvorlesung „Literatur und Kultur – Literaturwissenschaft: Ringvorlesung: Secondary oder peripher? Städtebilder der Romania im Spannungsfeld von Regionalität, Nationalität und Globalität“ an der Universität Innsbruck im Sommersemester 2017 unter der Leitung von Schrader Sabine.