Hallo, ich heiße Lena und ich bin Fangirl. Früher, als ich noch jung war, hieß das ja nur „Fan“ (oder in Musikkreisen „Groupie“), aber seit der Nerdisierung der Alltagskultur hat eben auch die Besessenheit von völlig fremden Menschen einen Superheldinnentitel erlangt. Ich mag die Bezeichnung aber ganz gerne, weil sie in meinem Alter (33) eine ironische Verniedlichung hat, die es mir ermöglicht, eine gewisse Distanz zu dem Phänomen zu wahren.
Aber es ist nun mal nicht zu leugnen, dass es da einige Schauspieler_innen, Regisseur_innen, Filmmusikanten und Kameramenschen gibt, deren Treiben ich gebannter verfolge als das anderer und deren künstlerischen Output ich beinahe lückenlos konsumiere – denn selbst wenn der einzelne Film nichts Besonderes ist und nicht jede künstlerische Leistung des Objekts der Begierde befriedigt, ist es wichtig, den Liebling nicht aus den Augen zu verlieren. Nicht nur, um ihm nah zu sein, sondern auch, um zu verstehen, was er denn nun genau tut, wie er funktioniert unter den verschiedensten Bedingungen.
Ben Foster ist einer dieser Lieblinge. Ich bin nicht sicher, wann unsere Fangirl-Karriere begann. Sicher nicht mit Get Over It, schon eher mit einer Mischung aus Six Feet Under (ein weiteres Fangirl-Objekt), Alpha Dog und 3:10 to Yuma. Und dann kam sein Meisterstück, The Messenger (die Küchenszene mit Samantha Morton!), und später 360 und Here und The Saints. Ben Foster spielt immer noch unter dem Radar und vielleicht ist das sogar zu seinem Vorteil, weil er gerade in diesen kantigen, mysteriösen, psychopathischen Nebenrollen so sehr glänzt, weil er die Momente, in denen er auftritt, auf die maximale Grundmenschlichkeit kondensiert. Seine Blicke sind zeitlos und währen ewig, während alle um ihn herum in der Zeitlichkeit des Films gefangen sind. Er projiziert diese profunde, unauslöschliche Einsamkeit, die alle meine Lieblingsschauspieler auszeichnet, die ihn immer vom Rest des Casts abhebt. Und er hat diese traurigen, aber schelmisch funkelnden Augen, in einem mittlerweile bulligen tätowierten, latent aggressiven Körper.
Aber das sind alles Wahrnehmungen, die in meinem Blick als Fangirl gereift sind. Eigentlich ist er doch nur einer dieser abonnierten Nebendarsteller, die man schon mal irgendwo gesehen hat, deren Namen man sich aber nicht merken kann. Nur bei mir hat er gezündet, warum auch immer. Und er musste nur einmal zünden, um mir dauerhaft die Augen zu öffnen und dadurch einen großen Vorteil gegenüber Nicht-Fans zu verschaffen. Ich kann seine Filme auf einer anderen Ebene genießen, weil seine Laufbahn und meine bisherigen mit ihm verbundenen Emotionen als Resonanzkörper dienen. Ich weiß, wie er bisher gespielt hat und erkenne, wenn er etwas Überraschendes, etwas Außerordentliches tut. Ich sehe ihn viel klarer und sicherlich auch unkritischer, aber das macht rein gar nichts, solange mittelmäßige Filme wie The Program dadurch zum reinsten Fest werden.
In The Program hat man Ben Foster endlich mal wieder zum Hauptdarsteller befördert. Trotzdem bleibt ihm leider zwischen den Zeitraffersprüngen über die Jahre hinweg und den schnellen Folgen von Radrennen, Injektionen und kurzen manipulativen Gesprächen nicht viel Zeit, überhaupt zu spielen. Der Film hetzt durch die Stationen von Lance Armstrongs gedoptem Aufstieg und Fall wie durch ein Rennen. Das ist schade, aber aus den wenigen Ben-Momenten, die ich bekomme, kann ich Fangirl eben doch so viel zehren. Einen charismatisch-manipulativen Siegertyp durfte er noch nie spielen. Er ist sonst eher der leicht kaputte Typ in der Ecke, zu obskur, um attraktiv zu sein. Aber der bohrende, überlegene Blick, der ist immer da – hier endlich umrahmt von einer ansteckenden Selbstsicherheit und einem Spaß an der eigenen Gaukelei. Er tut gerade das Bisschen zu viel, um Armstrongs Schauspielerei eindeutig zu entlarven, um ihn als egomanischen Betrüger hinzustellen, dessen arrogante Sturheit man aber fast wieder bewundern muss. The Program hat nicht etwa einen neuen Ben Foster hervorgebracht, er hat nur eine neue Variante Sonderling enthüllt. Er legt den Kevin Spacey in Ben Foster frei. Das brauche ich sicherlich nicht noch einmal genau so, denn es ist eine doch sehr schematische Figur, ein wandelndes Prinzip der Dreistigkeit ohne menschliche Emotionen. Und die gefärbten Haare und der Selbstbräuner sind arg irritierend. An die charismatische Selbstsicherheit könnte ich mich aber gewöhnen.
Nur weil ich Fangirl bin, kann ich also etwas Bleibendes aus einem überflüssigen Sportler-Biopic mitnehmen. Nur weil ich Fangirl bin, habe ich dieses Zuhause-Gefühl, wenn ich ein vertrautes Gesicht sehe in einem Milieu, das mir vollkommen fremd ist. Nur weil ich Fangirl bin, habe ich offeneres Auge für Nuancen, die andere nicht sehen. Ich bin gern Fangirl.
The Program
(dt.: The Program – Um jeden Preis)
2015
Regie: Stephen Frears
Drehbuch: John Hodge
Schauspiel: Ben Foster, Chris O’Dowd, Jesse Plemons, Guillaume Canet, Denis Ménochet, Lee Pace
Kamera: Danny Cohen
Musik: Alex Heffes
Bilder © Studiocanal
6 comments
Gibt es eigentlich auch Fanboys? 😉
Und endlich weiß ich, woher ich das Gesicht von Ben Foster kenne. Six Feet Under! Natürlich! Wieso bin ich da nicht drauf gekommen?
Sag bloß, du kennst den SFU-Cast nicht auswendig! Was bist du denn für ein Fanboy? 😉
Ein vergesslicher… ^^
Ben Foster war nicht nur einer meiner Lieblinge bei SFU, sondern auch Eli in Freaks & Geeks und Angel im dritten X-Men. <3
Um Himmels willen, ich habe tatsächlich vergessen zu erwähnen, dass er in meinem allerliebsten Superhelden-Franchise mitspielt! Wie konnte das passieren? Danke für den Hinweis. Und wirklich sehr enttäuschend, dass sie ihn in „Apocalypse“ gegen so einen Jüngling ausgetauscht haben.
Ach stimmt, bei X-Men war er auch zu sehen. Hab ich natürlich ebenfalls vergessen, weil ich bin doch Wolverine Fan. ^^