Wie bereits erwähnt, höre ich gern und viel Filmmusik. Sofern sie meinen Ansprüchen entspricht, das heißt: irritiert, sich minimalistisch an Motiven abarbeitet oder sehr konzentriert orchestriert ist statt mich in einer triefenden oder tosenden Klangsoße zu ertränken.
Letzteres trifft der Moonlight-Score so sehr ins Schwarze, dass es wehtut. Ich mag pompöse Orchestrierungen nicht besonders, weil sie oft allein mit der Gewalt schierer Masse die Überwältigung herbeizerren wollen. Wenn schon ein klassisches Orchester, dann soll lieber ein Instrument hervorstehen als einsamer Agent der Emotionen. Oder es sollen die Instrumente gegen- und miteinander tanzen, um die Komplexität menschlicher Momente auszudrücken. Besonders eine einsame Fiedel wie sie Nicholas Britell hier einsetzt, die sich vor Traurigkeit und Sehnsucht schier verzehrt, die geradezu hysterische Höhen erklimmt und ein emotionales, aus den Fugen geratenes Nervensystem auf so dringliche, reine Weise vermittelt, zieht bei mir sehr leicht. Aber auch die sparsame, dennoch schwere Klavier- (später Streicher-)Melodie, die Little/Chiron/Black charakterisiert, ist in ihrer Reinheit wunderschön und illustriert so einfach die ernste Zartheit seines Wesens. Aber Nicholas Britell kann auch anders: In „You Don’t Even Know“ dringen abstraktere, wirre, wahrscheinlich auch computerinduzierte, also fremde Klänge in die natürliche Welt aus Geigen ein und verdrängen sie beinahe. Etwas ändert sich. Was genau, sieht man in der letzten Episode des Films, die von der epischen „End Credits Suite“ abgeschlossen wird, die alle wichtigen Motive vereint und mit einem dumpfen, schicksalhaften Streicherzupf-Marschieren beginnt, das von einem hoffnungsvollen Klavier konterkariert, dann von dem sehnsüchtigen Geigenwimmern abgelöst wird und schließlich auf Chirons einsame Melodie konzentriert ausklingt. Perfekt.
Einen so fein gestrickten, eigentlich altmodischen Score hört man nicht mehr oft und besonders nicht in einem kleinen, realistischen Indiefilm, eher noch in Kostümdramen. Aber die Musik hebt den Film erst auf eine Ebene des Überzeitlichen. Chirons Geschichte ist sehr genau sozial verortet; was er fühlt, ist aber so zeitlos gültig wie die Opern dieser Welt (nehme ich an, ich kenne mich mit Opern nicht aus). Leider will der Film diesen Eindruck zwischendurch mit Mozart erzwingen, was ganz und gar nicht nötig ist und die Musik einem Vergleich aussetzt, der ihr nicht gut tut. Der Score ist ein ganz eigenes modernes Meisterwerk.
Nun, und dann pompöst und trötet und stampft der Beauty and the Beast-Score mit vollem Orchester daher und ich liebe ihn. Es muss Konditionierung sein. Wie gesagt: Ich habe den Zeichentrickfilm oft gesehen. Diese Melodien haben sich wohl mit meinen Synapsen verbunden. Anders kann ich mir nicht erklären, dass es mir hier nicht laut und viel genug sein kann. Die Melodie vom Anfang ist aber nun mal der Inbegriff tragisch-märchenhafter Magie. Und wenn sie später auch noch mit einem Chor Elfman’scher Anmutung versehen wird, dann ist das Nerdmädchen in mir eben im siebten schwarz-rosa Märchenhimmel. Was will man machen? Das Gestampfe während der Verwandlung zum Schluss ist außerdem ja wirklich einmalig mächtig staunend-jubilierend. Die stillen Momente fallen dagegen seltsam sentimental ab. Und dann ist da eben der neue Song des Biests, „Nevermore“. Noch habe ich ihn mir nicht müde gehört, aber es kann nicht mehr lange dauern. Die alten Songs sind überdrüssigkeitsresistent, dieser sicher nicht. Schließlich hasse ich Balladen eigentlich und ich habe immer noch nicht ergründet, warum mir gerade diese gefällt. Ich mag, wie er erst mal tief und kleinteilig Anlauf nimmt, um dann oben ausladend herumzuschmettern. Ich mag diese tiefen Melodien von „I let her steal into my melancholy heart“ und „Though she’s already flown so far beyond my reach“. Aber sonst? Ich weiß doch auch nicht. Erklärt ihr es mir doch mal!