Die Dinge beobachten gilt mir beinah mehr als sie besitzen …
… das sagte Theodor Fontane. Ganz sicher hat er damit keine Videospiele gemeint, aber dennoch: Wie ist das, jemandem nur beim Spielen zuzusehen, statt selbst zu spielen? Ist es genauso gut?
Ich kann nur ganz klar sagen: Jein.
Um etwas weiter auszuholen: Ich selbst bin keine besondere Leuchte im Zocken. Das mag verwundern, weil es einen solch großen Raum meines Lebens einnimmt, aber ganz ehrlich – ich bin einfach nicht sehr gut darin. Viele Elemente in den Spielgenres, die ich bevorzuge, sind sehr schnell, erfordern eine extrem kurze Reaktionszeit oder sind sogar zeitbegrenzt. Und wenn erst irgendwo ein Countdown läuft, befällt mich eine seltsame Hektik, eine milde Form von „OhmeinGottohmeinGottohmeinGott“; und dann steuere ich meinen Charakter grundsätzlich gegen eine Wand oder vor ein Hindernis, bevor ich dem Game Over-Bildschirm in die hässliche Fratze starre.
Ein zweiter Charakterzug, der sich so gar nicht mit dem Zocken verträgt, ist meine sehr niedrige Frustrationstoleranz. Einmal sterben? Okay. Zweimal? Hmpf. Dreimal? Spätestens da reiche ich den Controller weiter an jemanden, der dann für mich mit schlafwandlerischer Sicherheit durch selbst die schwierigsten Level steuert. Denn zum Glück habe ich so jemanden.
Und ich ertappe mich immer häufiger dabei, dass ich mich dann zurücklehne und auch den Rest des Spiels aus reiner Zuschauersicht betrachte, wie einen stundenlangen Film, eine bingegewatchte Serie … in der die Protagonisten tatsächlich meistens tun, was ich will. (Wer schon einmal bei einem Horrorfilm den Figuren zurufen wollte, sich auf der Suche nach dem Ausgang aus dem todbringenden Labyrinth NICHT zu trennen, wird wissen, was ich meine.)
Das Spielen wird dann zu einer Gemeinschaftsproduktion, mit einvernehmlichen Entscheidungen und nicht selten Diskussionen über mögliche Konsequenzen. Tatsächlich ist es das, was mir am Spielen am allermeisten gefällt: Das gemeinsame Erleben und Formen einer Figur und Geschichte. Das Rätseln und Grübeln über die beste Durchführung eines Quests und die unisono Ahs und Ohs bei grandios gerenderten Panorama-Sequenzen.
Also, ja, man kann ein Spiel vollkommen genießen, ohne den Controller auch nur angefasst zu haben.
Aber, und das ist die Crux an der Sache, man muss für mein Empfinden mit dem Spieler im selben Raum sein.
Ich sehe mir nicht sehr viele Let‘s Plays an, also jene Videos, in denen sich Menschen selbst dabei filmen, wie sie spielen. Die besten davon sind noch diejenigen, in denen der Spieler nicht jeden Pups kommentieren muss und alle fünf Sekunden die eigenen Follower grüßt. Es gibt gute Let’s Player, fähige Zocker, die auch nicht x-mal an der richtigen Tür vorbeilaufen und sich dann grummelnd eingestehen, dass sie keine Ahnung haben, wohin sie müssen … und dann eine gefühlte Ewigkeit das Spiel pausieren, um im Internet nach der Lösung zu suchen. Aber viele scheinen es, meiner bescheidenen Erfahrung nach, nicht zu sein.
Und, ganz ehrlich, nichts ist frustrierender, als genau zu wissen, wo sich der letzte Gegner oder der entscheidende Türöffnermechanismus versteckt, und dann zugucken zu müssen, wie der Spieler immer und immer wieder in die falsche Richtung blickt.
Dennoch verschaffen einem Let’s Plays einen recht guten Eindruck davon, ob einem ein Spiel gefallen könnte, ohne dass man es sich selbst für viel Geld kaufen muss. Einige Videos sind auch recht gut editiert und zusammengeschnitten zu einem fast vollwertigen Film, den man auch ganz ohne Konsole genießen kann. Wie ich in Love for Levels schon geschrieben hatte, sind einige der heutigen Spiele stark an Kinofilme angelehnt, mit großen Kameraschwenks und mitreißenden Soundtracks, cleveren Dialogen, fließenden Kampfchoreografien und perfekt inszenierter Dramaturgie.
Es liegt also nicht so fern, sie auch als solche zu genießen.
2 comments
Hach, danke, dass du mir dieses Phänomen endlich mal nachvollziehbar erklärt hast. 🙂 Und in der Tat, auch ich erinnere mich, wie ich damals (vor einer Million Jahre) Tomb Raider IV gespielt habe und schier verzweifelt bin, wenn ich in schneller Folge vier unterschiedliche Tasten bedienen musste, während über Lara eine Kreissäge rotiert. Einerseits fand ich den Adrenalinschub ja ganz fesch, andererseits war das nervlich doch ziemlich anstrengend. Ich weiß schon, warum ich nur Myst jemals ernsthaft gespielt habe …
Keine Ursache, ich fand es selbst spannend, dahingehend mal in mich hinein zu horchen.
Und ja, Adrenalin ist ja ganz nett, aber bitte nur im Kinosessel, wo man sich motorisch aufs Popcornessen beschränken kann 😉